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Luc - Fesseln der Vergangenheit

Luc - Fesseln der Vergangenheit

Titel: Luc - Fesseln der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Ross
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mittlerweile davon überzeugt, dass er es schaffen würde, zu seinen Leuten zurückzukehren. Alima hatte recht, er war ein Kämpfer. Das hatte er heute bewiesen und SEAL s waren wahre Überlebenskünstler.
    Entspannt lauschte sie, während Luc und Hamid über einen Politiker diskutierten, den sie nicht kannte. Nahtlos ging das Gespräch in einen verbalen Schlagabtausch ihrer verschiedenen Auffassungen über. Alima erschien mit zwei flachen Schüsseln und zwinkerte Jasmin verschwörerisch zu.
    »Männer eben«, meinte sie leise, aber nicht leise genug. Sie erntete einen warnenden Blick ihres Mannes, den sie lächelnd abtat.
    Dank Lucs Nachhilfe bekam Jasmin es zwar problemlos hin, ein Stück Brot als Löffelersatz zu benutzen. Doch schon nach kurzer Zeit fing Luc an, ihr die besten Stücke anzubieten. Etliche Male streiften ihre Lippen seine Finger und in seinen Augen glomm das gleiche Feuer, das sie in der Dusche gesehen hatte. Er spielte in Anwesenheit von Hamid ein gefährliches Spiel, achtete aber sorgfältig darauf, keine Grenze zu überschreiten. Trotzdem lag Hamids Blick oft unergründlich und abschätzend zugleich auf ihnen.
    Lucs begeisterte Reaktion beim Anblick des Nachtischs amüsierte und rührte sie zugleich. Erstaunlich offen erzählte er in Hamids Gegenwart von seiner Kindheit und von den zahlreichen Tricks, mit denen er und seine Brüder versucht hatten, an die Süßigkeiten zu gelangen. Jasmin verschluckte sich fast an einer Mandel, als sie sich vorstellte, wie sie seine vom Honig klebrigen Finger genüsslich von den Spuren seiner Nascherei befreite. Rasch trank sie einen Schluck Wasser.
    Hamid schob mit einem bedauernden Seufzer die leere Schale zur Seite. »Es wäre leichter für alle Seiten, wenn es mehr Männer gäbe, die Verständnis für unsere Kultur aufbrächten.«
    Luc zuckte mit der Schulter. »Es wäre auch leichter, wenn es bei euch mehr Männer gäbe, die andere Meinungen gelten lassen. Ich habe gesehen, dass Mouna ein goldenes Kreuz um den Hals trägt. Wie viele Taliban gibt es schon, die es zulassen, dass Christen in ihrer Gemeinschaft leben? Der fanatische Extremismus ist keine Hilfe auf dem Weg zu einer Einigung. Von den nicht vorhandenen Rechten der Frauen und Mädchen mal abgesehen.«
    »Und der Begriff Taliban ist für euch gleichbedeutend mit Terrorist. Ihr macht doch da keinen Unterschied. Sieh dir Khaled an.« Als Luc fragend eine Augenbraue hob, präzisierte Hamid. »Der Dorfälteste, mit dem du vorhin Probleme hattest. Sein Bruder war auf dem Weg zu einer Hochzeit. Er war nur Kaufmann, kein Kämpfer, aber eine Drohne der Amerikaner hat den gesamten Wagenkonvoi in die Luft gejagt. Es gab keine Überlebenden, nur unschuldige Opfer.«
    Hamid erhob weder die Stimme noch machte er Luc einen direkten Vorwurf. Die sachliche Feststellung des Afghanen reichte, um ihn in die Defensive zu drängen. Statt Hamids forschenden Blicken auszuweichen, sah Luc ihn direkt an. Jasmin spürte jedoch, wie unbehaglich er sich dabei fühlte. »Ich könnte jetzt mit den zivilen Opfern durch improvisierte Sprengsätze kontern, aber das bringt uns nicht weiter. Wenn du meine persönliche Meinung hören willst: Bitte, die kannst du haben. Drohnen sind ideale Mittel zur Aufklärung, aber ansonsten halte ich weder von Drohnenangriffen etwas, noch von Zielmarkierungen für Luftangriffe ohne vernünftige Aufklärung. Ich würde persönlich den Auslöser drücken, wenn ich sicher sein könnte, dass Warzai alleine im Wagen sitzt, aber da es diese hundertprozentige Sicherheit nicht gibt, ziehe ich einen anderen, den direkten Weg vor.«
    Damit hatte Luc sich erstaunlich weit vorgewagt und indirekt zugegeben, amerikanischer Soldat zu sein. Andererseits ahnte Hamid dies offensichtlich und Luc war der Letzte, der ihn unterschätzen würde.
    Jasmin sah starr auf den Boden. Luc würde es niemals erfahren, aber die durchschimmernde Verachtung für Luftangriffe mit zivilen Opfern hatte ihre Überzeugung bestätigt, dass jedes Wiedersehen ausgeschlossen war. Selbst, wenn sie sich jemals verzeihen könnte, dass unschuldige Menschen durch ihren Fehler gestorben waren, würde sie nicht mit Lucs gerechtfertigter Abscheu vor ihren Taten leben können. Alles, was sie tun konnte, war ihre Schuld, so gut es ging, zu sühnen. Die kurzen Augenblicke der Befriedigung, wenn sie einen Menschen vor dem sicheren Tod bewahrt hatte, waren alles, was ihr blieb. Sie spürte, dass sie den Kampf gegen die aufsteigenden Tränen verlieren

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