Luc - Fesseln der Vergangenheit
ihn am liebsten umbringen.«
Jasmin wollte den Männern folgen, aber Alima hielt sie am Arm fest. »Warte, Jasmin. Ich meine es ernst. Gib ihm eine Chance.«
Ehrlich ratlos strich Jasmin sich eine feuchte Haarsträhne aus dem Gesicht. »Was meinst du?«
»Wenn du mich so fragst: alles. Luc ist gut für dich. Du bist viel offener und deine Augen strahlen.« Alima hielt sich eine Hand vor den Mund und kicherte leise. »Die Dusche ist aber auch einzigartig. Ich liebe es, dort mit Hamid den Tag zu beginnen oder ausklingen zu lassen. Ach, genug davon.«
Das war auch besser, denn Jasmin fühlte, dass ihre Wangen sich röteten. Zog denn keiner in Erwägung, dass sie lediglich geduscht hatten? Die Erinnerung verstärkte die Hitze, die in ihr aufstieg.
Alima ignorierte ihre Verlegenheit und redete einfach weiter: »Ist dir denn gar nicht aufgefallen, wie ähnlich Luc und Hamid sich sind? Ich meine nicht das Aussehen, obwohl sich keiner von beiden verstecken muss.«
Jasmin nickte und wollte darauf hinweisen, dass ihre Zeit mit Luc in wenigen Stunden beendet war, aber Alima ließ sie überhaupt nicht zu Wort kommen.
»Sie sind beide Kämpfer, aber mit eigenen Prinzipien. Unter anderen Umständen könnten sie Freunde sein. Wieso wundert es dich, dass sie vorsichtig, aber auch freundlich miteinander umgehen? Gönn ihnen den kleinen Spaß auf deine Kosten. Luc weiß garantiert, wie ausgeprägt Hamids Beschützerinstinkt dir gegenüber ist, aber da er keine Ahnung hat, wie Hamid ist und denkt, wird er reichlich verwirrt sein. Wäre es dir lieber, sie würden sich wegen deiner Ehre duellieren?« Sie seufzte. »Aber mir geht es nicht um die Männer. So wie Luc dich ansieht, wenn er sich unbeobachtet glaubt, ist da viel mehr zwischen euch, als du zuzugeben bereit bist. Vertrau ihm und vertrau dir. Du bist schon so lange alleine und auf der Flucht. Jetzt kannst du dein Leben ändern. Vergib die Chance nicht leichtfertig, Jasmin. Ich weiß, dass es nicht einfach werden wird, aber wenn einer deine Probleme lösen kann, dann er.«
Obwohl Alima für Jasmin seit langem eine Freundin war, hatten sie nie über derart persönliche Dinge geredet. Alimas Worte erinnerten sie an Lucs ruhige Überzeugung, aber beide lagen falsch. Beide kannten nicht die wahren Gründe für ihre Flucht und durften sie auch nicht erfahren.
Sie schluckte hart, als ihr plötzlich bewusst wurde, dass sie einen Aspekt verdrängt hatte. Es ging nicht nur darum, dass in Amerika mit ihrem ehemaligen Vorgesetzten bei der CIA ein geradezu übermächtiger Gegner auf sie wartete. Alima, ihre restliche, afghanische Familie und vor allem Luc durften auch niemals erfahren, dass sie für den Tod unschuldiger Menschen verantwortlich war. Mit ihren Schuldgefühlen musste sie leben, aber die Verachtung der anderen würde sie zerstören. »Ich kann nicht, Alima. Ich würde ihn in Gefahr bringen.«
Alima hob eine Augenbraue. »So etwas tut man nur aus Liebe.«
Die Erkenntnis, wie viel sie tatsächlich für Luc empfand, traf Jasmin wie ein Tiefschlag. Sie konnte Alima nicht ansehen, sondern betrachtete die Steinmauer, als ob sie noch nie eine gesehen hätte. »Das ist unmöglich, wir kennen uns erst seit einigen Stunden.«
»Seit wann kommt es darauf an? Leugne es, so viel du willst. Die Wahrheit steht dir ins Gesicht geschrieben. Aber wenn ich mich nicht irre und Luc wie Hamid ist, wird er dich nicht gehen lassen. Oder besser gesagt: Er wird dich wiederfinden. Ist dir eigentlich klar, in welchen Gewissenskonflikt dein Mann mich bringt? Ich müsste auf Hamids Seite sein, aber ich wünsche Luc von ganzem Herzen, dass seine Flucht gelingt und er dich dann auf den richtigen Weg bringt.«
›Dein Mann‹. Das klang bitter und süß zugleich. Wenn es Jasmin nicht gelang, das Thema sofort zu beenden, würde sie endgültig die Fassung verlieren.
Alima sah sie forschend an und nickte dann, sichtlich zufrieden mit sich. »Es ist alles gesagt. Wir können essen.«
Damit hatte Jasmin ein neues Opfer, gegen das sie ihren Zorn richten konnte. Sie würde erst die Männer und dann Alima umbringen.
Als sie in das Haus traten, waren die Männer in eine lockere Unterhaltung vertieft. Lucs flüchtiges Lächeln, als sie sich neben ihm im Schneidersitz niederließ, reichte, um ihren Ärger verfliegen zu lassen. Die anderen konnten reden und glauben, was sie wollten. Sie würde das Dorf am nächsten Tag verlassen und frühestens in einem Monat zurückkehren. Trotz ihrer Angst um Luc war sie
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