Luca's Rezepte
Englisch auf. Du machst mich wahnsinnig...«
»Aber verstehst du denn nicht?« Er beugte sich dicht über den Tisch und sah mir tief in mein Auge.
»Also, ein Bild, mein Lieber. Pass gut auf. Du, in deiner Show. Es ist Dienstag. Du präsentierst: Fisch! Tadaah! Mit einem blauen und mit einem braunen Auge...«
»Na, Klasse...«, konterte ich bewusst begriffsstutzig, denn so langsam kapierte ich, worauf er hinaus wollte.
»Donnerstag... was Gegrilltes für die Gemeinde. Linkes Auge? Glutrot! Begreifst du jetzt...?«
Ich nickte mechanisch.
»Und wozu...?«
»Damit, mein Sonnenschein, die Leute nicht nur einschalten, weil du fein Leckerli machen kannst, sondern weil sie sehen müssen, was dein Auge heute so macht. Das ist so was von cool...«
Gleich umarmt er sich selbst, dachte ich bei mir, lehnte mich zurück und musterte Jack mit einer Mischung aus Zuneigung und Ratlosigkeit.
Das mit dem Imageberater würde ich wohl nicht aus ihm rausbekommen. Dazu fehlte mir einfach die Durchsetzungskraft...
Drei Tage später hatte ich ein Päckchen von Giaccomo Luigi Pedetti in meiner Post. Der Inhalt: Eine seiner laubgrünen Kontaktlinsen.
Entdecke dich neu im Spiegel, Luca. Wenn du mir sagst, dass es dir nicht gefällt, dann lügst du. Melde dich. Jack!
Er ließ nicht locker. Aber irgendwie rührte mich das auch.
Was mich jedoch viel mehr beschäftigte, war Lorenzo. Er hatte wiederholt auf unseren Anrufbeantworter gesprochen, aber ich besaß bis dahin einfach nicht den Mut, Kontakt mit ihm aufzunehmen. Sollte ich ihm sagen: Wir sind uns zu nahe gekommen...?
Genau das war es, was mir an jenem Morgen in seiner Küche schlagartig und überdeutlich klar geworden war.
Wir hatten, ohne es zu merken, eine Grenze überschritten. Immer nur in kleinen, unwesentlichen Schritten, wie durch eine beiläufige Berührung, eine etwas längere Umarmung, ein Arm über der Schulter, aber in ihrer Summe...
Ich hatte mir nichts dabei gedacht - er war ja mein Bruder - doch nun...
Ich fühlte mich mit einem Mal stärker zu ihm hingezogen als das früher der Fall war.
Ich sehnte mich nach ihm. Und diese Tatsache, dieses Gefühl, dieses Sehnen erschreckte mich zutiefst. Mein eigener Bruder...
Aber wie konnte ich ihm aus dem Weg gehen? Ich würde ihn mit einer solchen Reaktion verletzen. Und davon mal abgesehen - ich wollte ihn ja auch sehen. Ich wünschte mir seine Nähe, seine Aufmerksamkeit. Ich sehnte mich nach dieser Ruhe, die uns umgab, wenn wir Zeit miteinander verbrachten. Worte erübrigten sich bei Renzo...
Damit war nun Schluss. Worte waren vermutlich das Einzige, was jetzt noch helfen konnte. Worte und die Rückkehr von Shiro.
Denn ihn vermisste ich nach wie vor. Auch wenn es sich dabei um ein eigenartig schwankendes Gefühl handelte.
Und ich hegte die große Hoffnung, dass sich das eine Sehnen zerstreuen würde, wäre das andere erst einmal gestillt.
Ich wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht viel über die Liebe, über Begierde. In mir existierte die fest verwurzelte, irrige Annahme, dass sich Gefühle steuern ließen, dass ich Macht über sie hätte und nicht umgekehrt - sie über mich.
Ich war tatsächlich der Ansicht, dass all dies so wäre.
Ich war einfach noch sehr unerfahren in diesen Dingen. Und daher auch voller Zuversicht.
14.
»...Weißt du... wie sehr ...?«
»...Oh ja ... ich hab so eine Ahnung...«
Wir saßen nackt auf dem Bett, eng umschlungen, Schoß in Schoß und flüsterten uns erschöpft Liebkosungen zu.
Meine Hände wanderten durch sein nasses Haar wie die seinen durch das meine fuhren, dann über den Rücken hinab und in fahrigen Wellen wieder hinauf, hinauf zu seinem Gesicht, diesem herrlichen, wunderbaren Gesicht, um es zu ertasten, neu zu entdecken, zu streicheln. Meine Finger wanderten in seine Mundhöhle, fuhren die Zunge entlang, die Zähne - ein Spiel - ein wunderschönes Spiel, und er spielte es gut, sehr gut... knabberte zart an meinen Nägeln, umkreiste sie mit seiner Zungenspitze, sog sie ein, knabberte wieder... biss leicht zu... dann fester...
Shiro...
Seine Rückkehr entsprach letztlich einem lang ersehnten Regenschauer nach einer Zeit der großen Hitze. Und als ich in sein Gesicht sah, wie er da mit einem Male so vor mir stand, so vertraut und doch so absolut neu, da durchströmte mich ein Gefühl des Glücks, wie ich es schon lange nicht mehr erlebt hatte. Seine Haare waren länger geworden, und er hatte abgenommen. Sein Gesicht war schmaler als
Weitere Kostenlose Bücher