Luca's Rezepte
Fano.
»Eigenartig...«, sagte ich irgendwann. »...Als wir noch hier lebten, warst du im Grunde der Einzige, zu dem ich überhaupt keinen Draht hatte, und nun...«
»Ach, war das so?«
»Ja klar, wieso...«
»Bei mir war es genau andersrum...«
Ich sagte nichts, er spürte aber wohl mein Erstaunen.
»Wenn es jemanden in der Familie gab, dem ich mich nah fühlte, dann warst du das...«
»Ich...?«
»Ja sicher. Hast du das nie gemerkt?«
»Nein, hab ich nicht.«
»Das war aber so. Von Anfang an. Ich habe immer zu dir aufgeschaut, zu meinem kleinen Bruder. Verkehrte Welt, oder?«
»Irgendwie schon...«, stimmte ich zu und spürte, wie etwas meine Kehle zusammenschnürte.
»Du hattest immer so etwas Strahlendes, Klares. Dafür hab ich dich bewundert.«
»Und mich später bekämpft...« So ganz wollte sein Bild nicht zu meinem passen.
»Ach das... jaa...« Er lachte verschämt. »...Eifersucht nennt man das, glaube ich...«
Lag ich also doch gar nicht so verkehrt mit meiner Vermutung.
»Unnötig«, tröstete ich ihn. »Ihr hättet überhaupt nicht zusammengepasst.«
Wir gingen einen Moment schweigend nebeneinander her, als er schließlich leise sagte: »Nicht auf dich, Luca... auf Shiro...«, und als ich darauf nichts erwiderte, »...Hast du wirklich nie etwas gemerkt?«
»Nein, nie...«, antwortete ich ebenso leise, wie vor den Kopf geschlagen. Wir waren stehen geblieben und standen uns nun gegenüber.
Was um Gottes Willen geschah hier gerade?
» Irgendwann musst du es ja mal erfahren ...«, klang es wie von weit, weit her, während Hirn und Herz begonnen hatten, gemeinsam Karussell zu fahren. » Warum also nicht jetzt ...«
»Warum also nicht jetzt?«, echote ich sinnlos und sah in die großen, wirklich wunderbaren Augen meines Bruders.
Wunderbaren Augen meines...
Stopp jetzt!
»Genau.«, bestätigte er mit einem Lächeln und schickte sich an, weiterzugehen, als ich ihn einfach küsste.
Ich griff ihn mir, und ich gab ihm einen eindeutigen, wirklich unmissverständlichen Kuss.
Das heißt, nicht ich tat dies, sondern etwas in mir.
Ein Impuls, eine Regung, ein Dämon, was auch immer. Es oder er brachte mich dazu, mich ihm entgegenzustrecken, fahrig seinen Hals zu umfassen und ihn auf bestgekonnte Art und Weise intensiv und eindringlich zu küssen.
So übrigens schafft man sich Probleme!
19
»Ich habe einen Vorschlag zu machen...«
Das Frühstück, wenn man es denn so nennen wollte, lag hinter uns. Nun saßen wir gemeinsam in der Küche um den großen Eichenholztisch herum. Meine Gegenüber drehten verlegen die Caffètassen in ihren Händen.
Viel Zeit zum Nachdenken lag hinter mir, seit der vergangenen, schlaflosen Nacht. Und neben all den ur-persönlichen, hochdramatischen Renzo-Punkten, die ich selbst losgetreten hatte, war mir auch der eigentliche Grund meines Hierseins nicht aus dem Kopf gegangen.
Ich war zu einer Lösung gelangt.
Eine, die sie nicht ablehnen konnten.
»Ich werde auf meinen Anteil am D’Agosta verzichten...«, verkündete ich in die erstaunt dreinblickende Runde. »...Unter einer Bedingung!«
»Aha, jetzt kommt’s!« Tomaso saß, die Arme verschränkt, mir gegenüber, die Augenbrauen skeptisch nach oben gezogen.
»Genau! Jetzt kommt’s, Tomaso. Ich fordere nämlich, dass mein Anteil, wenn es soweit ist, gerecht unter dir, Anna, Rebecca und Lorenzo aufgeteilt wird. Giade hat ganz recht, wenn sie sagt, dass ich gut verdiene. Das ist so. Ich brauche diesen Anteil also wirklich nicht.« Giade strahlte mich dankbar an und ließ ihren Blick stolz, doch unbemerkt durch die Runde wandern.
»...Lorenzo aber schon. Seine Dozentenstelle ist ein Job auf Zeit, und wirklich gut verdient man da nicht, soweit ich weiß. Meine Bedingung ist also weiter, dass Renzo in jedem Fall im Boot bleibt.«
»Na, was ändert sich dann denn schon groß?«
Mir war klar gewesen, dass Tomaso es so sehen würde. Ich kannte ihn mittlerweile ganz gut.
»Zum Beispiel, dass ich dann nichts mehr mit dir zu tun haben muss!«, antwortete ich böse lächelnd. »Stell dir vor, das ist mir mein Anteil wert...«
» Also wenn du ...«
»Ein großzügiges Angebot...«, unterbrach Matteo meinen Bruder.
»Ja, und Lorenzo?«, blaffte dieser. »So macht das Ganze doch gar keinen Sinn!«
»Dann lassen wir’s eben!«, rief ich fröhlich.
»Ich stimme Matteo zu. Ein wirklich großzügiges Angebot.« Antonio machte auf mich den Eindruck, als schien er erleichtert, dass überhaupt noch
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