Luca's Rezepte
für Lorenzo unerträglich sein musste.
»...Bruderliebe...« Er steckte zwei Zigaretten in Brand und reichte mir eine rüber. »Gratulation! Schwuler Inzest bewahrt euch wenigstens vor dusseligem Nachwuchs. Wirst du es deiner Perle beichten...?«
»Sollte ich...?«
»Verlangst du jetzt Absolution von Jacky?«
»Nein... nein, natürlich nicht...«
»Dann beantworte dir‘s bitteschön selbst... du Tiger ...«
Er lächelte mir aufmunternd zu. »Wie ernst ist es denn...?«
Die Frage hatte ich mir auch schon gestellt - und war zu keiner klärenden Antwort gekommen.
»Es hat angefangen, als Shiro in Japan war...«
»Die Wallungen...?« Er grinste frech.
»Jack, bitte!«
»Sorry... aber, dass das Bruderherz auf gleicher Linie schlägt, ist dir seinerzeit glatt entgangen?«
»Komplett! Ich hätte das nie für möglich gehalten.«
»Hm, tja... und nun?«
«Genau, was nun?«
»Welche Möglichkeiten bleiben denn? Sehen wir doch mal... Variante eins: du legst die Karten auf den Tisch, beichtest deiner Lotusblüte alles, was so in dir brodelt und hoffst auf milde Resonanz. Hast auch einen gut, denk ich. Resultat: Bruder ade!«
Ich nickte. So weit war ich auch schon, wenngleich mir der Gedanke nicht sonderlich behagte.
»Variante zwei: Klappe halten und langes, langes Gespräch mit Bruderherz - großes Kino quasi - mit tragischer Abschieds-Sequenz... Resultat auch hier: Bruder ade.«
Keine wirkliche Alternative, fand ich.
»Die dritte Möglichkeit: Check up der inneren Befindlichkeit mit anschließendem kick out. Resultat: Einer muss gehen.«
Unvorstellbar...
»Na, und dann gibt’s da noch die Irving-Variante...«
»...?«
»Nun! Dein Jack hat sich im Vorfeld ja schon so seine Gedanken gemacht und ist da auf 'ne ganz interessante, inzestuöse Spielart gestoßen...«
»Bitte...«
» Gern ...! John Irving? Schon mal was gelesen von dem?«
»...Schriftsteller?«
»Bildungslücke! Shit happens. Aber gut. Ja, Schriftsteller! Und Irving ist so ein Gesell, der deinem Momentanzustand durchaus was abgewinnen kann. Hotel New Hampshire hat er geschrieben... «
»Da hab ich schon mal von gehört«, erinnerte ich mich.
»Na siehst du. Ist auch verfilmt worden, daher sicher. John und Franny!«
»Und?«
»Um die beiden geht’s in deinem Fall. Um John und um Franny. Die beiden sind Bruder und Schwester, die sich anziehen wie die Blüte die Biene...«
»Ja, und... weiter?«
»Die lassen’s krachen, aber so richtig! Die mieten sich ‘n Hotelzimmer und bleiben da vierundzwanzig Stunden drin. Mit all ihren kleinen Sauereien, ganz für sich, bis nichts, aber auch gar nichts mehr geht - und gut.«
»Ja, und...?«
»Der Trick ist - Sie haben nur dies eine Mal. Das ist der Deal. Niemand weiß was davon, niemand ahnt auch nur was.« Er strahlte mich an. »...Ist das nicht aufregend?«
»Es ist eine erfundene Geschichte...«, wandte ich ein.
»Es ist eine geile Geschichte! Eine heiße Geschichte! Und im Buch klappt’s! Danach sind sie die besten Freunde. Stell dir doch nur mal vor... Und ich könnt mir denken, ein solcher Akt trägt wunderbar auch bei euch zur Klärung bei, oder...?«
Es klang so bizarr.
Aber natürlich war es eine Variante...
Ich kaufte mir das Buch - und ich stellte sehr schnell fest - das war keine Variante! Denn es gab darin niemanden, den die beiden hätten verletzen können, außer sich selbst. Aber darauf lief es letztendlich hinaus - ich würde jemanden verletzen. Also verwarf ich Jacks Anregung mit dem verschämten Gefühl, überhaupt darüber nachgedacht zu haben. So funktionierte ich einfach nicht.
Doch was sollte ich nun tun, wie mich verhalten?
Da Shiro zur Zeit völlig in seiner Welt schwebte, bekam er mögliche Wesensveränderungen von meiner Seite vielleicht gar nicht mit. Das hoffte ich zumindest, denn ich konnte meine plötzliche Verlegenheit ihm gegenüber nicht so einfach überspielen, wie ich das gerne getan hätte.
Tatsache war, dass meine krude Gefühls- und Gedankenwelt mich gefangen hielt, ob ich nun wollte oder nicht.
Allerdings unterschieden sich Shiro und ich gar nicht so sehr voneinander. War ich damit beschäftigt, mein selbstgebasteltes Chaos mit meinem Alltag irgendwie in Einklang zu bringen, so war es mit Shiros Bar-Projekt eigentlich nicht viel anders. Er verbrachte beinahe jede freie Minute zusammen mit Pius im L’amo, und wenn die beiden dann schließlich farbverschmiert und erledigt nach Hause kamen, waren sie in der Regel so von ihrem Tun
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