Luca's Rezepte
Bewegung in die Sache geraten war. »Das hat wirklich was mit Gerechtigkeit zu tun...«
»Hat es nicht«, erwiderte ich ruhig. »Ich kaufe mich aus meiner Familie frei, was an sich schon schlimm genug ist. Und ihr bekommt auch noch was dafür, dass ihr mich endlich los seid. So sieht es aus. Das ist eigentlich doch ziemlich traurig, oder?«
Betretenes Schweigen folgte, bis schließlich Rebecca das Wort ergriff.
»Ich habe mir das gestern hier angehört...«, sagte sie leise »...und ich habe mir das heute hier angehört. Und ich muss sagen, ich glaube, ich habe mich noch nie in meinem Leben so sehr geschämt wie gestern und heute. Tomaso? Woher kommt nur dein unbegreiflicher Hass? Und du, Vater? Verschacherst hier deinen eigenen Sohn. Ganz schön billig übrigens... Du solltest vielleicht seinen Marktwert studieren, bevor ihr hier weitermacht. Wie... wie armselig...« Sie sah ernst in die Runde. »Ich jedenfalls werde nichts von diesem Anteil annehmen. Das ist einfach falsch...« Und damit stand sie auf und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.
»Was ist, Luca?«, fragte Matteo nach einiger Zeit mit ruhiger Stimme. »Siehst du das ähnlich wie deine Schwester?«
»Weißt du...« Ich sah ihm erstaunt in sein waches, altes Gesicht. »...Dies ist das allererste Mal, dass mich jemand hier nach meiner Meinung fragt, Großvater. Das erste Mal... nach all dem. Was für eine Meinung soll ich da wohl haben?«
»Sicher keine gute...«
Ich nickte. »Machen wir es also so, wie besprochen?«
Ich war froh, dass es vorbei war.
Ich war nun frei. War niemandem etwas schuldig geblieben.
Und das erfüllte mich mit einer eigenartigen Ruhe.
Das schon...
Nicht so Lorenzo.
Mein Kuss war, einem Dammbruch gleich, in Renzos Gefühlswelt eingebrochen und hatte dort ein mittelschweres bis heilloses Chaos mit nicht abzusehenden emotionalen Folgen verursacht.
Fassungslose Glückseligkeit paarte sich mit der zeitgleich eintretenden Erkenntnis, dass nicht ein Quent seiner Hoffnungen die Chance bekommen würde, irgendwann in die Wirklichkeit umgesetzt zu werden.
Es war furchtbar.
Aber der Kuss war wunderschön gewesen...
Wunderschön und grausam...
»Wie soll es jetzt weitergehen... mit uns...?«, fragte er leise, nachdem unsere Lippen sich voneinander gelöst hatten.
»Ich weiß doch auch nicht... Ich, ich bin so ein Idiot...«
»Bist du nicht...«, er strich über meinen Arm.
»Bitte... Fass mich nicht an ...«, und dann ruhiger, »...Entschuldige... ich... War nicht so gemeint...«
»Schon in Ordnung...« Er versuchte ein Lächeln, das ihm jedoch kläglich missglückte. Er war kreuzunglücklich. Das sah ich ihm an. Nun, er hatte auch jeden Grund dazu.
Oh, mein Gott, mir war nie klar gewesen, wie und als was er mich sah.
Und ich? Ich hatte dank meiner überdrehten Lust nichts Besseres zu tun, als ihm einen Knochen hinzuwerfen, nur um ihn im selben Moment an einer Schnur wieder wegzuziehen.
Hier, sieh hin! So schön hätte es sein können. Pech gehabt...!
»Ich weiß auch nicht... warum ich...«
Ich wusste es wirklich nicht. Mir war doch klar, was passieren würde, wenn ich...
Dafür hatte ich es mir zu oft ausgemalt.
»Luca...lass uns umkehren...«
Ich nickte betreten. »Ja, und dann...«, fragte ich leise.
»Dann sehen wir...«
Was ich sah , vor meinem inneren Auge, das war die Dachkammer.
Ich sah die Dachkammer, sah Renzo und ich sah mich, uns... und ich verfluchte mich.
Renzo war noch am selben Abend nach Genova zurückgefahren. Das hatten wir so besprochen - und es tat mir unendlich Leid.
Ich musste das wieder in Ordnung bringen. Und dazu brauchte ich Unterstützung.
Also rief ich auf der Rückfahrt jenen Menschen an, der mir bislang in jeder Lebenslage der beste Ratgeber gewesen war...
»Achherrjeeh...«
Keine Bar diesmal, sondern seine Wohnung.
Ein absolutes Novum.
Ich zählte neun Aquarien, in denen maritime Exoten ihre Kreise zogen. Ansonsten gab ein überdimensioniertes Bett den Ton an. Bücher und CD’s stapelten sich die dunkelblau gestrichenen Wände empor, und überall unter der Decke hingen Plakate von Almodovar-Filmen.
Wir hockten auf dem Bett, tranken Ginger Ale und Jack hörte aufmerksam zu, während ich erzählte.
Ach herrje - war seine erste Reaktion und ich vermutete, dass es ihm diesmal schwerer fiel, über Gebühr Verständnis für mich aufzubringen. Aber er hatte ja auch Recht. Ich hatte mich unmöglich verhalten und eine Situation geschaffen, die vor allem
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