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Luca's Rezepte

Luca's Rezepte

Titel: Luca's Rezepte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Mahrenholz
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im Gegenteil.« Ricardo nahm einen Schluck Wein und zündete sich eine Zigarette an. »Bedien dich, wenn du willst.« Seine Schachtel flog über den Tisch.
    Wie meinte er das? - Im Gegenteil .  
    Ich griff zum Päckchen und sah ihn fragend an.
    »Lorenzo interessiert sich nicht die Bohne fürs Kochen«, versuchte ich es.
    »Ja, schon. Aber wenn ich seinen Erzählungen folge, dann habt ihr beide große Träume.« Er schob mir einen eigenen gläsernen Aschenbecher entgegen .»Dein Glück ist, dass dein Traum perfekt in dein Umfeld gepasst hat. So viel Glück hat dein Bruder nicht.«
    Na, jetzt war es ja nicht mehr weit her mit meinem Glück und dem perfekten Umfeld. Aber es stimmte schon, da konnte tatsächlich was dran sein. Ich zündete mir eine Zigarette an und sog den Rauch gierig in meine Lungen.
    »Mag sein...«, wandte ich ein, »...Aber trotzdem, das war es dann auch schon mit den Gemeinsamkeiten.«
    Von mir aus hätte man es jetzt gut dabei belassen können. Eigentlich war ich zu müde und zu verwirrt für das alles.
    »Lorenzo ist ein Einzelgänger...«, fuhr er jedoch fort, »...Einer, der gut damit klar kommt, auf sich gestellt zu sein. Er meint, du wärst da sehr ähnlich.«
    Wieder richtig. Ja, es stimmte, was er sagte, auch wenn sich meine Situation nun deutlich verändert hatte. Wir kamen seit jeher beide gut alleine klar.
    »Bis auf die Familie. In der Familie fühlt Lorenzo sich immer alleingelassen. Das unterscheidet euch tatsächlich.«
    »So etwas erzählt er?« Ich war erstaunt über die Offenheit meines Bruders. Und auch etwas erschrocken.
    »So etwas erzählt er, ja.«
    »Er... er hat sich ausgegrenzt...«, konterte ich automatisch.
    »Hat er das?«
    »Ja, er hätte halt was sagen müssen. Er hätte doch zumindest mal was sagen können.«
    Ricardo erwiderte darauf nichts. Er sah mich nur an, auf eine ganz gewisse Weise. Und prompt war es mal wieder soweit: Ich musste mich Renzo gegenüber verteidigen. Selbst jetzt noch, Mann. Das war doch nicht gerecht.
    Aber dann wurde mir klar, dass Ricardo ja Recht hatte. Der Zeitpunkt war vielleicht nicht optimal gewählt, aber es stimmte, was er sagte!
    Ich war zum Beispiel nie auf die Idee gekommen, Lorenzo mal zu fragen, wie 's ihm so geht. Was wäre so schwierig daran gewesen?
    Bei mir drehte sich immer alles nur ums Kochen, um 's D'Agosta. Da war ich absolut familienkompatibel. Und für mich selbst? Da ging es neben der Kocherei vor allem um Shiro. Es ging eigentlich die ganze Zeit immer nur um mich. Und um das, was mich beschäftigte. Da war wenig Raum für Andere. Gar kein Raum, wenn ich ’s genau bedachte.
    Und Renzo? Null Familienkompatibilität. Im Grunde hasste er vermutlich das D’Agosta und alles, was damit zusammenhing. Doch niemand nahm auch nur Kenntnis davon. Keiner von uns hatte je begriffen, wie unglücklich Renzo mit seinem Leben sein musste. Keiner, bis auf einen vielleicht...
    Denn dann, zwischen all dem Nikotin und dem Alkohol in meinem Kopf, all den wirren Gedanken, der Wut, dem Schmerz und dem Stolz, die gemeinsam in mir Polka tanzten, fiel mir Matteo ein. - Niemand tut ihm was, vielleicht liegt da ja das Problem.  
    Ich verstand plötzlich, was Matteo mir damit hatte sagen wollen, und es versetzte mir einen dumpfen Schlag. Denn in diesem Moment, in dieser durch und durch wirren Situation auf Ricardos XXL-Monster-Sofa, da wurde es mir plötzlich klar. Ich hatte niemals die Chance genutzt, meinen Bruder wirklich kennenzulernen. Ich hatte ihn nicht einmal wahrgenommen.
    »Es ist nicht deine Schuld«, beschwichtigte mein Gegenüber, so als könne er meine Gedanken lesen. »Dein Bruder scheint sich dafür entschieden zu haben, zwei Leben zu führen, und da du zur Familie gehörst, hat er dich aus dem einen ausgeschlossen.«
    »Zwei Leben... Genau wie ich jetzt...«, sagte ich mit schwerer Zunge, den Blick liebevoll auf zwei sich überlappende Shiros gerichtet, die sich neben mir auf dem Sofa zusammengerollt hatten und schliefen.
    »...Genau wie du. Und vielleicht seid ihr euch deswegen jetzt auch nahe gekommen.«
    Es ergab auf einmal so vieles einen Sinn für mich. Trotz meines Zustandes setzte sich, wie aus trägen Puzzle-Steinen, ein Bild von Lorenzo zusammen, eines, das ich nun mehr und mehr erkennen konnte. Ein interessantes Bild. Facettenreich. Ich hatte eigentlich einen spannenden Bruder, einen eigenwilligen, der mir gefiel.
    Riccardo erzählte mir noch vieles über Lorenzo, in dieser Nacht. Über seine Träume und Ideen. Über

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