Luca's Rezepte
wir uns im Treppenhaus und wie abgesprochen schlichen wir, so leise es irgendwie ging, hinunter ins Restaurant, um das Haus zu verlassen.
Noch immer war Antonio zu hören - nicht zu verstehen zwar, aber sein Tonfall durch die geschlossene Tür ließ keine Fragen offen.
Mein Blick wanderte durch das D’Agosta.
Er strich wehmütig über unseren alten Nussbaumtresen, wanderte weiter, zur messingbeschlagenen Schwingtür, die das Restaurant von der Küche trennt, heftete sich Abschied nehmend an die Stufen, die wir gerade hinabgestiegen waren und verharrte endlich bei der Angebots-Tafel, die säuberlich geputzt neben jener Tür angebracht war, welche wir nun gleich hinter uns schließen würden. Und über alldem, über all diesen Bildern, diesen letzten Eindrücken, die ich versuchte, in irgendeiner Form für mich zu bewahren, lag die Stimme meines Vaters, der immer noch aufgebracht, unnachgiebig und voller Zorn seine Wut hinausschrie.
Es war nass und dunkel, als wir unsere Taschen mit Spanngurten an den Rollern befestigten, da kam Renzo nach draußen, um sich von uns zu verabschieden. Wir standen uns hilflos gegenüber.
»Ich habe hier etwas für euch...« Er reichte mir einen Zettel mit Adresse und Telefonnummer.
»Ricardo ist ein Freund von mir. Ich habe eben mit ihm telefoniert, und ihr könnt die erste Zeit bei ihm unterkommen.«
»Ricardo...?« Ich sah auf den Zettel.
»Du kennst ihn nicht. Er wird euch gefallen.« Renzo lächelte traurig. »...Du wirst schon sehen. Er erwartet euch, egal wann ihr ankommt.«
»Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist?«
»Es ist eine ausgezeichnete Idee!«, entschied Shiro und nahm mir den Zettel aus der Hand. »In Ravenna. Das ist nicht mal so weit.«
»In drei Stunden müsstet ihr es schaffen.«
»...Du behältst das für dich?«
Renzo antwortete nicht, sah mich nur an.
»T’schuldige...«
»Und dann noch dies...« Er drückte mir einen Umschlag in die Hand. Ich öffnete ihn. Darin befanden sich 1500 Euro.
»Woher hast du so viel...?«
»Das willst du gar nicht wissen.« Wieder das traurige Lächeln.
»Du wirst Ärger kriegen.«
»Worauf du dich verlassen kannst...« Jetzt lachte er wirklich, »...Aber erst mal sind sie mit Euch beschäftigt.«
Ich nahm ihn in den Arm. »Renzo, ich danke dir... für alles...«
Er strich mir durch mein Haar, nahm mein Gesicht in seine Hände und sah mich dann ernst an. »Ich liebe dich, kleiner Bruder... pass auf dich auf.« Er drückte mir einen Kuss auf die Stirn und lächelte. »Lasst von euch hören...«
Dann umarmte er Shiro, und wir machten uns auf den Weg.
Nach Ravenna.
Zu Ricardo.
Weg von Zuhause, von Fano. Von all denen, die ich liebte.
Was das zu bedeuten hatte, sollte mir erst später klar werden.
Jetzt funktionierte ich - und mehr nicht...
Wir brauchten länger als drei Stunden. Da die Witterung die Straße mit einem feuchten Film überzogen hatte, mussten wir vorsichtig fahren. Dazu kam eine alles umfassende Dunkelheit, die uns zwang, das Tempo zu drosseln. Und zu allem Überfluss forderte ein kalter Ost-Wind, der hart ins Land hinein drängte, unsere äußerste Konzentration. Das war angesichts der zurückliegenden Stunde leichter gesagt als getan. Die meiste Zeit über konnten wir jedoch nebeneinander fahren, da auf den Straßen kaum noch was los war. Immer, wenn es irgendwie ging, suchten wir Blickkontakt. Ich wollte in diesem Moment nicht alleine sein, frierend auf meinem Roller. Ich brauchte Zuspruch, wünschte mir jemanden, der für mich da war, der mir versicherte, dass schon alles wieder gut werden würde. Doch da war nur Shiro an meiner Seite, dem es sicher nicht anders ging als mir. Durch das dunkle Helmvisier spürte ich seine unsichtbaren Blicke und daran klammerte ich mich fest. Ich stellte mir einfach vor, dass er mich damit trösten wollte. Und diese Vorstellung half etwas.
Wir waren jetzt auf uns gestellt, alleine, und ich musste daran denken, dass es für meinen Japaner nicht das erste Mal war, dass er so etwas erlebte.
Rechts von uns brandete in der Dunkelheit das Meer an das Ufer, nichts als rauschende Schwärze.
Ein Stück hinter Rimini führte die Straße dann endlich ins Inland, weg vom Wind, und plötzlich wurde mir klar, dass wir es bald geschafft hatten.
Das war aber auch das Einzige, dem ich mit einiger Zuversicht entgegensah.
Das Gebäude, in dem Ricardo lebte, machte von außen den Einruck, als ob es sich um eine stillgelegte Fabrik handelte. So was in der
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