Luca's Rezepte
Interesse das Stück Apfelkuchen vor sich auf dem Teller.«
Francesca schüttelte den Kopf, aber sie lächelte dabei. »Du denkst mal wieder mit dem Bauch. Aber hier geht’s um Prinzipien. Selbst die beste Küche schafft’s nicht, gegen solche Verkrustungen anzugehen. Kein Risotto, kein Trüffel und auch kein Brodetto dieser Welt sind dazu in der Lage. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede.« Sie lächelte mir zu. Eintopf, Pasta und Salat waren in der Tat bei allen sehr gut angekommen.
»Aber wenn man das Gespräch sucht? Wenn man sich einfach in Ruhe zusammensetzt und alles ganz sachlich bespricht. Auge in Auge...« Pits linke Hand verschwand in seinem rotbraunen Bart. Vermutlich kratzte er sich gerade am Kinn. Er wollte einfach nicht aufgeben.
»Mein ältester Bruder Tomaso sang früher im Chor unserer Kirche...«, begann ich zu erzählen, um zu verdeutlichen, warum das so völlig ausgeschlossen war. »...Er war richtig gut im Singen, und meine Mutter war wirklich stolz auf ihn. Sogar unser Vater, dem das eigentlich ziemlich egal war. Tomaso machte da allerdings nur mit, weil dazu auch Ferienfreizeiten gehörten, die von der Kirche organisiert wurden. Und das war die einzige Chance für uns, mal aus Fano raus zukommen. Irgendwann dann sollte es nach Venezia gehen, San Marco, Lido, all das - und Tomaso sollte mit. Venezia! Das war für uns immer das Größte. Wir kannten es nur von Bildern und vom Film. Aber dann erfuhr unser Vater, dass einer der Betreuer, der älteste Sohn von Silvio Barricelli war. Barricelli und Antonio lagen sich irgendwie politisch quer, eine uralte Geschichte, wir haben das nie verstanden. Also war klar - Tomaso durfte nicht mit...«
»Nun ja, das ist schade, aber...«
»Die Geschichte ist noch nicht zu Ende«, unterbrach ich. »...Etwa vier Wochen vor der geplanten Reise erkrankte Barricellis Sohn so schwer, dass er als Betreuer ausfiel. Sowohl unser Padre als auch meine Mutter versuchten daraufhin, unseren Vater umzustimmen - zwecklos. Er hatte entschieden, also war es Gesetz.«
»Wie gemein...«
»Ja. Und typisch...«
»Als ich sagte, ich würde mich über was zu essen freuen, dachte ich, ihr macht vielleicht etwas Pasta...«, Ricardo betrachtete schuldbewusst die übriggebliebenen Reste, während er dabei war, leere Töpfe in der Spüle aufeinanderzustapeln. Wir standen nach dem Abräumen in der Küchenzeile, während die Anderen entspannt ihre Füße unter dem Tisch ausstreckten. Die fünfte Flasche Chardonnay machte ihre Runde. »...Ich habe doch nicht gemeint, ihr sollt so was hier zustande bringen...«
»Er ist halt so«, hatte Shiro daraufhin nur geantwortet, während er Käse auf einem Holzbrett drapierte.
»Habt ihr schon Pläne, wie es weitergehen soll?«, klang es vom Tisch. Irgendwie schienen wir Pit zu faszinieren.
»Sie sind mal gerade erst ein paar Stunden hier...« Ricardo steckte mir eine Schachtel Zigaretten zu. »...Lass sie doch erstmal ankommen.«
»Und dann gleich zum Küchendienst verdonnert, nicht schlecht.« Antonio klatschte in die Hände, als Shiro den Käse servierte. Ricardo und ich folgten mit Grappa und Caffè, dann setzten wir uns wieder zu den anderen.
»Wir überlegen, vielleicht nach Rom zu gehen...« Shiro trank einen Schluck Wein und sah sich plötzlich irritiert allgemeinem Interesse ausgesetzt.
»Habt ihr nicht Sorge, dass ihr da etwas untergeht? Ich meine - Fano ist vielleicht ganz nett, aber überschaubar. Rom hingegen...«
»Und Rom ist verdammt konservativ. Darüber müsst ihr euch im klaren sein...«
Ich horchte auf. Das war mir neu, und es widersprach unserer Idee vom freien Großstadtleben.
»Ja klar...«, bestätigte Antonio meinen fragenden Blick. »...Da regieren die Neofaschisten ... Das wusstet ihr nicht?«
Ich schüttelte den Kopf, in dessen Inneren die Rom-Idee verpuffte wie der flüchtige Duft des Sommertrüffels.
»Milano...«, versuchte es Francesca. »...Weltoffen, liberal und absolut en vogue...«
»...Wenn man denn Schmuck verkaufen möchte, Liebes... dann schon.«
»Mode und gutes Essen liegen dichter beieinander als du denkst, Toni.«
»Womit du natürlich Recht behältst...«
Ganz allmählich erschöpfte sich ihr Interesse an uns, was wir dankbar und mit unsichtbarer Erleichterung zur Kenntnis nahmen. Es folgte ein wenig verbales Getingel durch die nennenswerten Großstädte Nord- und Mittelitaliens, um sich danach auf eher alltägliches, aber auch persönliches Palaver einzupendeln. So erfuhren wir
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