Luca's Rezepte
Bruders Schultern gewachsen waren, wie leicht sein Lachen klang. Es war so schön, sie zu sehen, zu spüren und ihre Stimmen zu hören. Hinter uns lag die längste Trennung voneinander, seit es uns gab.
Shiro erwartete uns am Treppengeländer vor unserer Eingangstür, und als wir ihm zu dritt entgegen kamen, alle durcheinander redeten, glücklich und erleichtert über unser Wiedersehen, da berührte mich sein Anblick urplötzlich. Er sah so verloren, so alleine aus, wie er da stand. Ganz auf sich zurückgeworfen.
Meine Familie war vielleicht zerstritten - seine jedoch gab es einfach nicht mehr. Ich sah ihm an, dass er sich dessen bewusst war. Schmerzhaft bewusst vermutlich...
Aber er strahlte uns nur an, und die Begrüßung von Rebecca und Lorenzo fiel nicht weniger herzlich aus, als sie das bei mir gewesen war.
»Wie ist es so zu Hause?«, fragte ich sehr viel später, nach einer obligatorischen Wohnungsbesichtigung. Die Suppe hatten wir gerade hinter uns, und auf dem Tisch stand dampfend die Schale mit den Orecchiette.
Rebecca und Renzo wechselten kurz einen Blick.
»Das willst du nicht wirklich wissen, Luca...«, sagte Lorenzo schließlich.
»Es ist alles noch ein bisschen frisch... da sitzen Verletzungen tief... und...«
» Welche Verletzungen?«, Shiro unterbrach Rebecca ungewohnt scharf, so dass auch ich von meinem Teller aufsah. »...Wir haben niemanden verletzt. Wir haben niemandem etwas getan ...«
» So meinte ich das auch nicht...« Sie legte beschwichtigend ihre Hand auf seinen Arm. »Du hast ja Recht. Aber sie empfinden das anders. Und ihre ureigene Wahrheit sehen sie nun mal als die tatsächliche Wahrheit an.«
»Warum drumrum reden...?«, schob Lorenzo ein, »...Seit eurem Weggang gibt es zwei Lager. Und daran ist wohl auch nichts zu ändern.«
»Es braucht einfach Zeit...«
»Es braucht Verstand!«, korrigierte Lorenzo, »...Und dem stehen frommes Gehabe und unauslöschlicher Starrsinn gegenüber...«
»Schmeckt’s...?«, fragte ich mechanisch, bedauernd, das Thema überhaupt auf den Tisch gebracht zu haben.
»...Wie gewohnt. Ausgezeichnet!«
»Das wird übrigens noch interessant werden«, prophezeite Rebecca, während sie sich großzügig an der Pasta bediente. »...Dein Weggang aus der Küche wird spürbare Folgen haben«
»Das genau ist der Punkt«, erwiderte ich genervt, mit einem Seitenblick zu Shiro. »Ich höre immer nur - dein Weggang - du und die Küche. Wir sind zusammen gegangen, das ist das entscheidende. Darum geht es mir. Und das ist auch der Grund, warum es für mich kein Zurück mehr geben kann. Weil man mich nur alleine zurückhaben will. So gibt’s mich aber nicht mehr.«
»Und genau darum sind wir hier«, ergänzte Rebecca und entspannte damit die Situation spürbar.
Lorenzo erhob darauf sein Glas und blickte in die Runde. »Auf die Vernunft, und...«, er lächelte voller Zuneigung. »...Und auf euch beide. Auf eure Zukunft! Salute!«
Die Gläser erklangen. Der Wein schmeckte großartig, jener aus dem Friaul, den Shiro und ich an unserem letzten Abend in Fano getrunken hatten.
Ihn hatte ich mir als gekelterten Begleiter von meinen Geschwistern gewünscht.
Auf diese Weise befand sich Antonio als feine Dreingabe doch noch mit am Tisch - und er versetzte mir, wie es so seine Art war, einen kleinen fiesen Stich.
Die verbliebene Zeit verlief ganz im Einklang miteinander, so wie von mir erhofft.
Da wir die Wohnung über die Feiertage ganz für uns hatten, mussten die beiden nicht ins Hotel oder bei Ricardos Freunden übernachten. Also saßen wir bis tief in die Nacht zusammen, beschienen von einem halben Dutzend Kerzen und zehn kleinen Wassemelonen, die über unseren Köpfen die Zimmerdecke in rotgrünes Licht tauchten. Tatsächlich zauberte dieser Nippes und unsere provisorische Blumendekoration einen Hauch Festlichkeit in unsere sonst eher nüchterne Küche.
Doch vor allem unser ersehntes Wiedersehen war es, das in dieser Nacht ein 'Glücklichsein' auf unsere Gesichter malte. Wir redeten und lachten, tranken alten Barolo und irgendwann, ja, irgendwann begannen wir sogar, aus freien Stücken heraus, all die klerikalen Lieder zu schmettern, die Valentina sonst Jahr für Jahr als Pflichtprogramm von uns abverlangt hatte.
Selbst mein Japaner ließ sich von unserer Ausgelassenheit anstecken, was zur Folge hatte, dass er damit begann, falsch und rau spontan ersonnene Fantasie-Texte in unsere musikalischen Beiträge hineinzuträllern.
Dies war jener
Weitere Kostenlose Bücher