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Luca's Rezepte

Luca's Rezepte

Titel: Luca's Rezepte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Mahrenholz
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kommen...«
    »Ja, und?«
    »Na, für sie ist es auch Tradition...«
    »Dann ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt, damit mal Schluss zu machen. Luca, sieh es ein. So ein bescheuerter Baum ändert nichts daran, wie es ist. Wir sind hier, deine Eltern sind in Fano. So ist das. Und wahrscheinlich wird sich auch nichts so schnell daran ändern.«
    Ich sah ein, dass er Recht hatte, aber es tat weh.
    »Guck nicht so traurig.« Er strich mir durch mein Haar und lächelte aufmunternd. »Wir machen uns einen wunderschönen Abend. Und was hältst du davon, wenn wir ein eigenes Ritual erfinden? Das ist dann unsere Tradition... Eine ganz eigene.«
    »Was für ein Ritual ...?«, fragte ich dünn.
    »Keine Ahnung, irgendwas eben... Was nur für uns...«
    Der Gedanke gefiel mir.
    Und Shiro gefiel mir. Seine Ideen, seine ganze Art und wie er mit mir umging, das gefiel mir besonders... trotz der Baumfrage...
     
    Schon Tage zuvor war ich damit beschäftigt, Vorbereitungen für das Weihnachtsessen zu treffen, kleine Geschenke einzukaufen und die Wohnung irgendwie festlich herzurichten. Gut, einen Baum würde es nicht geben, darauf hatte ich mich eingelassen, aber ganz ohne Dekoration ging es einfach nicht. Pius zauberte schließlich aus irgendeiner Schublade eine Lichterkette mit kleinen Plastik-Wassermelonen hervor, die in der Küche installiert wurde. Dazu stiftete er noch eine Unmenge pastellfarbener Blumen aus Kunstseide, und das war es dann. Es hatte zwar nicht im geringsten was mit Weihnachten zu tun, aber immerhin: Besser als nichts.
    »Was machst du denn die Feiertage über?«, fragte ich ihn, nur wissend, dass er sich ein Zugticket fürs Landesinnere besorgt hatte.
    »Ich besuche die Ex meines Bruders. Sie hat mich eingeladen...« Er warf mir sein typisch entrücktes Pius-Lächeln rüber, während er eine pinkfarbene Margerite so über dem Herd anbrachte, dass man die hintere linke Flamme nicht mehr benutzen konnte.
    »Deine Familie...?«, fragte ich beiläufig.
    »So ähnlich wie bei euch. Man kann sie sich halt nicht aussuchen...«
    Ich nickte verstehend. »Aber die Ex...«
    »Melina! Die ist super... Die mochte mich schon immer...« Er hatte sich zwei gelb-blaue Löwenmäulchen hinter seine Ohren geklemmt und war auf einen Stuhl gestiegen, um sie an der Schnur der Deckenlampe zu befestigen. »...Und jetzt treffen wir uns halt ab und zu. Ihre Familie kommt mit mir klar. Und Weihnachten ist da original wie im Film...«
    Ich wusste ganz genau, was er meinte, und ich freute mich für ihn, wenngleich es mir auch einen leichten Stich versetzte. Wie im Film...  
    »Sei froh, dass du Shiro hast...«, sagte er plötzlich leise, vom Stuhl herunter, so, als ob er einen kurzen Blick in meinen Kopf geworfen hätte. Seine Augen sahen ernst zu mir herab. »...Gäb's was Festes, würde ich auch zuhause bleiben und mit ihm feiern wollen...«
    »Danke...«, sagte ich nur, und schämte mich etwas für meinen leichten Neid-Anflug. Ich wusste, dass er mich verstand...
     
    Eigentlich hatte ich mich ja für einen Braten entschieden, doch als Luisa mir für die Festtage ein gut abgehangenes Filet zu einem Super-Preis anbot, stellte sich die Frage nicht mehr.
    Zum Hauptgang gab es nun also mit Lorbeer umkränzte Rindertournedos an Barolosoße. Grüne Bohnen dazu - et voilà. Zuvor servierte ich Kartoffelsuppe mit Spitzmorcheln. Den ersten Höhepunkt bildeten jedoch von Shiro zubereitete Orecchiette, die einfach nur in Safranbutter geschwenkt wurden. Simpel, doch hochfein.
    Als Abschluss gab's nach langem hin und her einen Kompromiss. Mein Japaner liebte Panettone - ich konnte ihm nichts abgewinnen. Da es aber vor allem diese belanglos fluffige Konsistenz war, die mich an ihm nervte, nicht jedoch sein Geschmack, entschied ich mich, ihn in ein zart schmelzendes Parfait umzuwandeln. So hatten wir ein wirklich weihnachtlich-festliches Dessert und Shiro seinen geliebten Kuchen. Lauwarme Rotwein-Zimt-Pflaumen bildeten dazu einen feinherben Kontrast.
    Als es dann am späten Nachmittag des 25. Dezember endlich klingelte, warf ich das Geschirrtuch zur Seite und flitzte die Treppen hinunter, immer zwei Stufen auf einmal. Ich fieberte so sehr darauf, Renzo und Rebecca wiederzusehen, dass ich es die Stunden zuvor kaum ausgehalten hatte. Ihnen schien es nicht anders ergangen zu sein. Wir fielen uns in die Arme, hielten uns aneinander fest, und mit einem Mal erinnerte ich mich wieder, wie wunderbar meine Schwester duftete und wie sehnig und kraftvoll meines

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