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Lucas

Lucas

Titel: Lucas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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oben am höchsten Punkt des Wegs langsamer werden, dann hörte ich, wie sie abbog, und schließlich hörte ich, wie sie in den tristen Morgen davonpreschte.
    »Scheiße«, sagte Dad, ließ den Vorhang fallen und drehte sich zur Tür, als Dominic hereinkam. »Hast du ihn gesehen?« Dom nickte. »Mick Buck.«
    Lucas stand auf. »Er muss die ganze Nacht dort gestanden und auf mich gewartet haben. Jetzt ist er los, um den andern zu sagen, dass ich hier bin. Es tut mir Leid, ich hätte es wissen müssen. Ich geh.«
    Dad hielt ihn fest. »Du gehst nirgendwohin, mein Junge.«
    »Ich bin nicht   –«
    »Sei still und hör zu. Du bist erschöpft. Es zieht ein zweiter Sturm auf. Du bleibst hier.«
    »Nein, ich kann nicht   –«
    Dad drückte ihn freundlich, aber bestimmt in den Sessel. »Wir haben ungefähr eine halbe Stunde, bis sie hier sind. Bestenfalls eine Stunde. Dom, lauf zu Rita und erzähl, was los ist. Eigentlich dürften sie nicht in Gefahr sein, aber sag ihnen, sie sollen im Haus bleiben und alle Türen abschließen. Wenn du zurückkommst, nimm den Wagen und stell ihn ungefähr auf halber Höhe quer in die Zufahrt. Danach kommst du wieder hierher.«
    »Okay.«
    Dad wandte sich zu mir. »Zieh dich an und führ Lucas nach oben auf den Boden. Ich will, dass ihr beide da oben bleibt, bis ich etwas anderes sage. In Ordnung?«
    Ich nickte.
    Er sah zu Dom. »Geh.«
    Dom verschwand.
    Dad sah Lucas an. »Kann ich dir vertrauen, dass du auf meine Tochter aufpasst?«
    »Es wäre sicherer für Sie alle, wenn ich abhauen würde. Die werden nicht wieder abziehen, solange sie wissen, dass ich hier bin.«
    »Ich hab dich was gefragt.«
    Lucas sah erst mich an, dann Dad. »Sie können mir vertrauen.«
    »Gut. Also – worauf wartest du noch? Die Dame möchte sich anziehen. Mach dich nützlich und setz ein bisschen Kaffee auf.« Er grinste. »Kannst du mit einem Wasserkocher umgehen?«
    Lucas sog Luft durch die Zähne und verdrehte die Augen. »Na ja, ich weiß nicht genau . . . Ist es einer von diesen neumodischen elektrischen?«
    Dad lächelte und öffnete die Tür. »Raus.«
    Sie verschwanden zusammen und ich begann mich anzuziehen. Als sie über den Flur gingen, hörte ich sie reden. Sie klangen wie alte Freunde. Ruhig, leise, völlig ungezwungen miteinander. Ich horchte angestrengt und versuchte zu verstehen, worüber sie sprachen, aber das Einzige, was ich heraushörte, war Dads leises Lachen, das über die Treppe hinab verklang.

Einundzwanzig
    I ch zog mich schnell an und holte danach die Dachbodenleiter runter. Der Sturm wurde wieder stärker. Peitschender Regen trommelte gegen die Fenster, der Himmel grollte. Nur kurz ließ ich den Gedanken zu, dass es den ganzen Aufruhr vielleicht etwas dämpfen könnte, wenn das Wetter noch schlimmer würde. Ein kalter Wind, ein starker Platzregen . . . vielleicht würden die ja das Feuer löschen . . .
    Ja, dachte ich, genau wie gestern.
    Die Leiter senkte sich herab und ich trat zur Seite, um einen Schlag auf den Kopf zu vermeiden. Der surrende Ton war genau so, wie ich ihn in Erinnerung hatte – der Ton von Geheimnissen und Dunkelheit. Schließlich kletterte ich die kalten Metallsprossen hinauf, eine nach der andern. Ich war schon halb oben, als Lucas mit zwei Bechern Kaffee auf dem Flur erschien. »Dein Dad sagt, wir sollen uns beeilen.«
    »Einen Moment«, antwortete ich, schob den Kopf durch die Luke und spürte, wie die vertraute Zugluft mein Gesicht kühlte. Ich atmete den Geruch von Ruß und altem Holz ein. Nichts hatte sich verändert. Ich drehte mich zu Lucas um. »Komm rauf. Gib mir die beiden.«
    Er trat auf die Leiter zu und reichte mir die Kaffeebecher. Ich stellte sie auf dem Holzboden ab.
    »Lass mich erst durchklettern, dann kannst du nachkommen«, sagte ich und zog mich hinauf auf den Dachboden, schaltete das Licht an und setzte mich mit gekreuzten Beinen hin. »Okay«, rief ich hinunter.
    Während Lucas die Leiter heraufkletterte, schaute ich mich auf dem Dachboden um. Ich sah die dunklen Balken und die Dachsparren mit ihren Rußflecken und das Licht des Himmels, das durch die zerbrochenen Schieferpfannen schimmerte. Ich hörte den Regen aufs Dach prasseln und die Vögel, die unter dem Dachvorsprung scharrten . . . und ich wusste es. Ich hatte die ganze Zeit gewusst, dass es hier enden würde. Hier zwischen den staubigen Sachen, die von den Balken hingen und in den Ecken herumstanden . . . hier war eine Welt, die genau so war, wie ich sie haben wollte. Eine

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