Lucas
möglich unsichtbar machend, sah ich Bob Toms und einen anderen Mann mit versteinertem Gesicht und langem Regenmantel lautlos aus einem Kombi steigen.
Eine Stimme schallte durch den Regen: »Hey, McCann! Komm raus!«
Ich schaute hinunter und sah Jamie Tait an der Spitze der Horde stehen und zum Haus emporschreien. Eine schwarze Wollmütze hatte er straff über den Kopf gezogen. Das schwarze T-Shirt und die Jeans klebten ihm auf der Haut. Brendell stand neben ihm, massig wie ein Fels, und Robbie Dean auf der anderen Seite, ausdruckslos, ohne Gefühle, doch aus seiner Hand ließ er ein Montiereisen baumeln.
Jamie hielt die Hände an seinen Mund. »McCann! Wir wollen nicht dich! Nur den Jungen! Schick ihn raus! Hey!
Hörst
du, McCann –«
Seine Stimme brach abrupt ab, als die Haustür aufging und Dad und Dominic mit Deefer an ihrer Seite heraustraten. Dominic hatte den Baseballschläger dabei.
Jamie grinste und trat einen Schritt zurück. Er hielt die Hand hoch, um die hinter ihm versammelte murmelnde Menge zum Schweigen zu bringen.
»Morgen, Mac«, sagte er betont locker. »Hey, Dom.«
Dad ignorierte ihn und ließ seinen Blick weiter über die Menge schweifen. »Wo ist Toms?
Toms?
«
Jamie bewegte sich wieder nach vorn. »Wo ist der Zigeuner, Mac?«
Dad sah Robbie an. »Robbie – es tut mir Leid, was mit deiner Schwester passiert ist. Schreckliche Sache –«
»
Wo ist der Zigeuner?
«, rief jemand.
Dad blickte auf. »Er ist nicht hier. Er hat es nicht getan.«
Jamie lachte. »Natürlich nicht.«
Dad ignorierte ihn wieder und sprach mit Dean. »Hör zu, Robbie. Ich weiß, was mit Angel passiert ist. Ich weiß, wer es war. Ich kann –«
Eine Stimme aus der Menge übertönte ihn. »
Lügner!
«
Und weitere Rufe:
»
Bastard!
«
»
Holt ihn!
«
»
Zerrt ihn raus!
«
Die Stimmen schwollen zu einem unverständlichen Brausen an und die Horde setzte sich in Bewegung.
»Nein«, flüsterte ich. »Nein . . .«
»Alles in Ordnung«, sagte Lucas ruhig. »Tait will sich nur in Szene setzen. Wart’s einfach ab.«
Ich sah, wie Jamie sich umdrehte, beide Hände hob und die Menge zurückwinkte. »Ruhe!«, rief er. »Eine Minute! Nur eine
Minute
!«
Die Menge zögerte und das Schreien verebbte zu einem wütenden Gemurmel. Während der Regen herabrauschte und der Wind um den Hof heulte, stand Jamie mit glühenden Augen und flehend erhobenen Händen da wie ein Prediger auf der Kanzel vor seiner Gemeinde. Er wartete, dass sich die Stimmen beruhigten, dann sprach er. Seine Stimme hallte. »Hört mir mal zu! Hört mal zu! Wir sind keine
Bestien
. Wir sind zivilisierte Menschen. Wir sind keine Mörder! Das Einzige, was wir wollen, ist Gerechtigkeit. Lasst mich mit dem Mann reden. Lasst mich vernünftig mit ihm reden.«
»Er ist verrückt«, sagte Lucas. »Er ist komplett übergeschnappt.« Und dann flüsternd: »Pass auf den Bruder auf, John. Den Bruder . . .«
Ich schaute hinab.
Jamie hatte sich umgedreht und sah Dad an. Brendell hatte sich nicht gerührt. Dad beobachtete die Menge. Deefer saß neben ihm, starr wie ein Brett, und knurrte leise. Und Robbie Dean starrte blutrünstig zu Boden, das Montiereisen fest im Griff.
Jamies Gesicht brannte vor manischer Besessenheit. »Siehst du, Mac?«, sagte er. »Siehst du, wogegen du dich wendest? Ich tu, was möglich ist. Aber ich kann sie nicht für immer zurückhalten. Warum gibst du ihnen also nicht, was sie wollen? Schick den Jungen raus. Ich weiß, dass er da drin ist. Schick ihn einfach raus. Dann können wir alle nach Hause und du und deine Leute, ihr könnt wieder tun, was immer ihr eben tut. Wie klingt das? Du kannst noch einen trinken, noch ein Märchen schreiben. Deine süße kleine Tochter kann weiter ihre Träume träumen. Und du –«, er grinste Dom an, »du kannst wiederStudent spielen.« Er gab ein ersticktes Lachen von sich und wandte sich wieder an Dad. »Was hältst du davon, Johnny?«
Dad sprach beruhigend. »Ich hab es dir schon gesagt, Junge. Er ist nicht hier.«
Jamies Augen wurden schmal. »Was glaubst du eigentlich, was ich bin, McCann? Hältst du mich für bescheuert? Er
ist
hier. Du weißt es. Ich weiß es. Wir alle wissen es.«
»Er
war
hier«, sagte Dad. »Und jetzt ist er fort. Er ist vor ungefähr zwanzig Minuten gegangen. Er ist inzwischen wahrscheinlich schon halb in Moulton.« Er hob seine Stimme und wandte sich an die Menge. »Habt ihr es gehört? Er ist nicht hier. Er ist fort. Jetzt geht, verlasst mein
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