Lucian
Staubtuch in der anderen Hand und einem hässlichen Käppi auf dem Kopf noch gut aussehen.
»Kannst du die Regale dort neben dem Fenster übernehmen?« Spatz warf mir ein Tuch zu.
Seufzend zog ich mein Sweatshirt aus und machte mich an die Arbeit. Der Staub auf den Regalflächen war zentimeterdick und nach wenigen Sekunden fing ich an zu niesen.
»Hier.« Spatz, die eine gehäkelte Mütze trug, kam zu mir herüber und hielt mir ein kariertes Halstuch hin. »Bind dir das lieber um.«
Ich griff nach dem Halstuch, faltete es zu einem Dreieck und wollte es gerade hinter meinem Kopf verknoten, als ich in der Bewegung innehielt. Lucians Worte hallten wie ein Echo in mir nach. Du hattest ein weißes T-Shirt an und ein Kopftuch um, so piratenmäßig am Hinterkopf verknotet.
Ich sah an mir herunter. Das Träger TShirt, das ich anhatte, war weiß.
Ich ließ das Staubtuch fallen und rannte quer durch das Atelier. Hinter der ersten Tür, die ich aufriss, war die Toilette. Hinter der zweiten entdeckte ich die Küche. Sie war klein, zugemüllt und sie roch nach frischer Farbe. Jemand hatte die Rückwand rot gestrichen.
Der Kühlschrank stand in der Ecke und daneben hockte der Affe aus Lucians Traum. Er war aus Pappmaschee, glänzend lackiert, und grinste mich aus hohlen Augen an.
Ich sah die amerikanische Flagge auf seinem Oberarm und die leere Packung Tempotücher auf seiner Brust. Mit angehaltenem Atem trat ich auf ihn zu und berührte seine Zähne. Sie waren scharf wie Säbelspitzen.
Wie in Zeitlupe drehte ich mich um und sah nach oben zu dem Regal. Zwischen Cornflakes-Packungen, verschimmeltem Toastbrot und Thunfischdosen stand ein Topf mit Farbe. Der Deckel war offen und an den Seiten lief eine leuchtend rote Spur herunter.
Ich machte einen Schritt zurück, dann noch einen, und als ich gegen etwas Weiches stieß, entfuhr mir ein lauter Schrei.
Janne stand hinter mir. Ihr Gesicht war kreidebleich. Sie starrte erst auf den Affen, dann auf mich. Ich sah, wie ihr Blick an meinem TShirt nach oben wanderte zu meinen Haaren, hin zum Regal, wo der Topf mit Farbe stand.
Ich straffte die Schultern, versuchte mich zusammenzureißen und lachte Janne mitten ins Gesicht.
»Hey, was schleichst du dich so an?«, fragte ich in der heitersten Tonlage, zu der ich fähig war. »Du hast mich vielleicht erschreckt. Warum guckst du so? Hab ich Ausschlag?«
Janne schüttelte stumm den Kopf. Aber sie fiel auf mich rein. Sie schien zu glauben, dass ich nichts ahnte.
»Ich dachte . . . wollte . . .«, stotterte sie. »Ich wollte mir nur die Hände waschen.«
»Dürfte schwierig sein.« Ich zwang mich noch mal zu einem Grinsen und zeigte auf die schmutzigen Tassen, die sich im Spülbecken türmten. »Aber vielleicht kannst du hier für Ordnung sorgen, dann kümmere ich mich um die Regale. Okay?«
Janne nickte verstört. »Okay.«
Als Spatz und ich uns den Staub von den Klamotten klopften, war es schon fast halb fünf und ich war mit meinen Kräften am Ende. Während Janne auf einem Stuhl am Fenster saß und schweigsam hinausstarrte, spulte ich nach wie vor mein Gutelauneprogramm ab. Meine Mundwinkel fingen schon an zu schmerzen.
»Glückwunsch, Spatz«, rief ich fröhlich. »Das ist echt der Hammer hier.«
Spatz strahlte mit ihren Glücksschwämmen um die Wette. Die Organ -Objekte waren mittlerweile schon in den hohen Regalen aufgereiht, um die Seemannsgarn-Serie wollte sie sich morgen kümmern.
Ich griff nach meinen Schwimmsachen und wollte mich gerade mit meiner Ausrede absetzen, als mein Handy klingelte.
»Und?« Suse war am anderen Ende. »Hast du ihn gesehen?«
Mir kam eine Idee. »Oje«, murmelte ich und täuschte Betroffenheit vor. »Du Ärmste. Soll ich kommen?«
Suse begriff sofort.
»Klar«, sagte sie. »Am besten jetzt gleich und am liebsten über Nacht. Lässt Janne dich gehen?«
Ich sah zu meiner Mutter. »Es ist Suse«, murmelte ich. »Es geht ihr nicht gut. Kann ich bei ihr schlafen?«
Janne runzelte die Stirn. »Eigentlich wollte ich euch beide zur Feier des Tages zum Essen einladen«, sagte sie und blickte von mir zu Spatz.
Spatz lächelte sie an. »Zauberhafte Idee«, sagte sie. »Aber du kannst mich auch allein zum Essen einladen.« Sie riss mit gespieltem Entsetzen die Augen auf. »Oder liebst du mich etwa nicht mehr?«
Janne musste wider Willen lachen. Sie gab Spatz einen Kuss und dann ließ sie mich gehen.
Er war immer noch nicht da und er kam auch nicht. Ich drückte mich vor dem Haus im Holzdamm
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