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Lucian

Lucian

Titel: Lucian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
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in Hamburg gehabt hatte. Er war in Los Angeles zurückgekehrt und hatte auch in der Klinik nicht aufgehört.
    Ich lag in diesem fremden Raum mit dem plüschgrünen Teppich, der geblümten Tagesdecke auf dem Bett und dem wabernden Kronleuchter über meinem Kopf. Neben mir, auf meinem Bauch, meinen Händen waren die Scherben und der metallisch süße Geruch von Blut stieg mir in die Nase. Nacht für Nacht rang ich nach Luft, die nicht vorhanden war, und flehte immer mit derselben Verzweiflung um mein Leben. Bitte. Bitte nicht . . . bitte . . . lass mich nicht . . .
    Spatz’ Glücksschwamm lag in meiner Hand und Vals Körper hatte sich mit Hitze aufgeladen. Wie eine große Wärmflasche schmiegte sie sich an meinen Bauch. Ich spürte den weichen Flaum ihrer Härchen, roch den süßen Erdbeerduft in ihren Haaren und irgendwann merkte ich, dass auch ich dem Schlaf nicht länger widerstehen konnte. Ich zuckte noch ein paar Mal, dann war ich weg.
    Ich wurde davon wach, dass sich helles Licht auf meine Augenlider senkte. Ich blinzelte verwirrt. Der Himmel vor meinem Fenster hatte die Farbe von verdünnter Milch. Hatte ich tatsächlich bis zum Morgen durchgeschlafen? Offensichtlich.
    Val lag noch immer in meinem Arm. Vor meinem Bett kniete Dad. Er starrte auf uns herab, als wären wir eine Erscheinung. In seinen schwarzen Locken schimmerten silberne Strähnen, sein Gesicht sah ausgemergelt aus und die Augen lagen tief in ihren Höhlen. Aber jetzt begannen sie zu leuchten. Gerade wollte er etwas sagen, als aus dem Flur eine aufgeregte Stimme ertönte: »Hast du sie gefunden?«
    Dad zuckte zusammen. Hastig sprang er auf und lief zur Tür. »Sie ist hier«, hörte ich ihn leise rufen. »Hier bei meiner . . . bei Rebecca. Sie schläft.«
    »Dann weck sie! Verdammt, die erste Stunde hat sie schon verpasst . . .« Dad schloss die Tür.
    Er kam wieder zum Bett, küsste mich auf die Stirn, dann strich er Val über die blonden Locken. »Wir haben verschlafen, Kleines«, sagte er. »Du musst aufstehen, wir sind viel zu spät dran.«
    Val murmelte unwirsch, knirschte mit den Zähnen, dann drehte sie sich zu mir um und vergrub ihren Kopf an meiner Schulter.
    Dad zog behutsam die Decke zurück. »Val. Kleines. Steh auf. Du musst zur Schule.«
    »Will aber nicht«, protestierte Val, immer noch halb im Schlaf. »Ich bin krank. Ich bleib hier.«
    Dad seufzte. »Komm, mein Schatz.« Er schob seinen Arm unter Vals Körper und hob sie aus dem Bett. Meine Schwester schlug fauchend um sich. Ihre kleine Faust knallte auf Dads Nase.
    »Hey«, sagte ich. »Das gehört sich nicht.«
    Dad starrte mich mit heruntergeklapptem Unterkiefer an. »Du . . . hast . . . du hast etwas gesagt«, presste er hervor.
    Val schlug die Augen auf. Sie grinste. »Aber mit mir hat sie zuerst gesprochen.«
    In Dads Gesicht brach etwas. Er fing an zu weinen wie ein kleiner Junge. Val küsste ihn. »Sei nicht traurig«, sagte sie. »Mit dir spricht sie jetzt ja auch. Stimmt’s?«
    Dad sah mich an, als könnte er es immer noch nicht glauben.
    Irgendwo im Haus schrillte Michelles Stimme. »Alec, es ist Viertel nach acht, wenn wir nicht in zehn Minuten fahren, verpasst Val auch noch die zweite Stunde!«
    »Ich bringe deine Schwester nur rasch zu Michelle, dann bin ich sofort wieder da«, sagte Dad.
    Ich schüttelte den Kopf. »Nicht nötig, Dad. Ich . . . ich glaube, ich möchte noch ein bisschen allein sein.«
    »Oh natürlich. Kein Problem, gar kein Problem, das verstehe ich total!« Dad strahlte mich an. Er schien so überwältigt zu sein, Worte aus meinem Mund zu hören, dass ich ihn wahrscheinlich ebenso gut hätte beschimpfen können.
    »Aber ich bleibe zu Hause, für den Fall, dass du mich brauchst.« Wieder schüttelte ich den Kopf. »Bitte nicht«, sagte ich mühsam. »Ich komm schon klar.«
    Dad schien mit sich zu ringen. »Okay, ich lass dir meine Handynummer da«, sagte er. »Sobald du wach wirst oder Gesellschaft oder sonst irgendwas möchtest, ruf mich an. Ich bin sofort da! Okay?«
    Ich nickte. »Okay.«
    Endlich schloss sich die Tür hinter Dad. Ich atmete tief durch, aber nicht aus Erleichterung. Jede Silbe unseres Gespräches hatte mich Kraft gekostet. Meine Sinne fühlten sich an, als ob jemand eine Schutzhülle von ihnen abgestreift hatte. Die Geräusche waren klarer. Die Konturen waren schärfer. Die Gerüche waren intensiver. Ich war aufgewacht, im wahrsten Sinne des Wortes, und wusste plötzlich, dass ich keine Sekunde länger in diesem Zimmer bleiben

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