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Lucian

Lucian

Titel: Lucian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
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konnte.
    Spatz’ Glücksschwamm würde jetzt nicht mehr reichen. Ich musste hier raus, bevor sich die verbotenen Gedanken ihren Weg in mein Bewusstsein bahnten.
    Mit einem Mal konnte es mir nicht schnell genug gehen. Ich hechtete ins Bad, duschte und riss die Türen zum Ankleideraum auf. Mein Blick streifte die Regale, ich sah meine Bluse mit den Druckknöpfen, die ich zum letzten Mal – stopp!
    Ich fetzte sie vom Bügel, stopfte sie hinter einen Stapel von Pullis und zerrte ein lila T-Shirt hervor. Als ich die Jeans anzog, rutschte sie mir sofort über die Hüften. Ich kramte nach einem Gürtel, schnallte ihn drei Löcher enger als sonst und floh nach draußen. Im Flur hielt ich inne und horchte, nach Dad, nach Michelle, nach Val. Alles warstill, scheinbar waren sie schon aufgebrochen. Ich hatte das Haus für mich allein.
    Ich ging durch jedes Stockwerk, öffnete jede Tür und blickte in jeden Raum.
    Wie lange war ich vor der Klinik hier gewesen? Fünf Wochen, sechs? Es erschien mir so unvorstellbar.
    Ich war wirklich wie abgeschnitten gewesen, abgeschnitten von allem, was passiert war, und das war gut so. Alles, was neu war, war gut und dieses Haus war in jeder Hinsicht neu. Ein Architekt hätte es wahrscheinlich als einen modernen Traum aus Glas und Licht bezeichnet. Alle Räume hatten riesige Fensterfronten, die von den Holzböden bis zu den hohen Decken reichten.
    Es gab drei Ebenen. Ganz oben war der Bereich von Dad und Michelle, mit mehreren Ankleidezimmern – einem nur für Schuhe. Ich ging in jedes einzelne, dann weiter in das Marmorbad und das Schlafzimmer, dessen Fensterfronten den Blick auf die Berge freigaben. Grün bewachsene Hügel mit vereinzelten Wanderpfaden.
    Mein Zimmer lag auf der zweiten Etage, zusammen mit einem Gästezimmer und Vals Reich, in dem sich eine Kletterwand, ein riesiges Aquarium und unzählige Spielsachen befanden.
    In der ersten Etage lag der Wohnbereich. Hier zeigten die Fensterfronten zu zwei Seiten, sodass man links auf die Berge und rechts über den parkähnlichen Garten aufs Meer sehen konnte. Die Einrichtung war teuer und unpersönlich. Vor schwarzen Ledersofas standen gläserne Beistelltische mit großen Bildbänden über moderne Kunst, Fotografie und Innenarchitektur, die nicht so aussahen, als wären sie jemals aufgeschlagen worden. Ein Steinway-Flügel nahm eine Ecke des Raums ein, in einer anderen saß eine riesige Buddhastatue aus schwerer Bronze. Auf einem hohen Tisch, über dem ein in Stahl gerahmter Spiegel hing, befand sich eine Edelstahlvase mit weißen Lilien. Bücherregale gab es keine, dafür einen gigantischen Flatscreen und schwarze Regale voller DVDs. Sie waren alphabetisch geordnet von American Beauty bis Zorro.
    Alles war kühl, alles war geleckt und es nahm einem die Luft zum Atmen. Abgesehen von Vals Zimmer sah nur die Küche so aus, als ob hier tatsächlich jemand lebte. Sie hatte riesige Kühlschränke, eine Bar, einen gewaltigen Herd und eine Speisekammer, aber auf den blank polierten Edelstahlflächen fand ich halb leere Kaffeebecher neben einer umgeworfenen Cornflakespackung.
    Hinter der Küche lag der Garten. Er war von hohen Bäumen umschlossen und hatte etwas von einer perfekt gepflegten Parkanlage. Das Herzstück war der Swimmingpool. Suse hatte recht, es hätte sich definitiv gelohnt, den großen Zeh hineinzustecken, und plötzlich brannte ich darauf.
    Schwimmen wäre jetzt meine Rettung gewesen, denn die Hausbesichtigung hatte ich hinter mir und ich hatte keine Ahnung, wohin ich mich jetzt flüchten konnte. Das Problem war nur: Aus dem Pool war das Wasser gelassen worden.
    In dem Moment wurde mir klar, dass ich nicht länger davonlaufen konnte. Vor der Klinik war ich mit meinen Schmerzen beschäftigt gewesen. In der Klinik war ich damit beschäftigt gewesen, körperlich zu Kräften zu kommen. Jetzt waren die Schmerzen weg, jetzt war ich bei Kräften. Letzte Nacht hatte Val sogar mein Schweigen gebrochen. Und die verbotenen Gedanken drängten gefährlich nahe an die Oberfläche.
    Ich entdeckte das kleine Gartenhäuschen erst ganz zum Schluss. Es lag am anderen Ende des Gartens zwischen blühenden Zitronenbäumen.
    Schon als ich die Klinke herunterdrückte, wusste ich, dass dieser Bereich Dad gehörte. Es war ein einzelner Raum auf zwei Ebenen. Dieobere, zu der eine schmale Wendeltreppe führte, bestand aus einer großen, am Boden liegenden Matratze. Die zerwühlte Wäsche machte ziemlich deutlich, dass sie in der letzten Zeit gut genutzt

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