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Lucian

Lucian

Titel: Lucian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
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Feldstraße. Und was die unter Maskenball verstanden, konnte ich mir lebhaft vorstellen.
    In Jannes Päckchen war ein türkisfarbenes T-Shirt mit einem aufgedruckten Rauschgoldengel, der Suse gar nicht mal so unähnlich sah. Er hatte kleine Teufelshörner und ein verschmitztes Lächeln.
    Suse strahlte. »Deine Mam ist wunderbar. Und du bist noch wunderbarer! Ach Becky, heute ist der wunderbarste Tag meines Lebens! Merk es dir, okay? Und erinnere mich dran, wenn ich dir mal wieder sage, dass das Leben klein und gemein ist. Willst du sehen, was Dimo mir geschenkt hat? Komm mit . . .«
    Suse zog mich zu dem Tisch, hinter dem ihr Vater gerade das Fleisch für den Grill vorbereitete. Suses Mutter war nirgendwo zu entdecken und Suses Vater tat mir leid. Er war ein großer, scheuer Mann mit schütterem Haar und warmen, ehrlichen Augen. Susedrehte ihm den Rücken zu, als sie fieberhaft in ihrer Tasche zu wühlen begann und schließlich ein in rotes Seidenpapier eingewickeltes Etwas herausfischte.
    »Na, was sagst du?«
    Als Suse mir die roten Hotpants mit dem weißen Kreuz auf der Pobacke hinhielt, sagte ich erst mal gar nichts. Suses Lippen, mit denen sie eben noch bis zu beiden Ohren gestrahlt hatte, fingen jetzt gefährlich an zu zittern. Dimo stand nicht weit von uns entfernt vor seiner Anlage, strich sich mit den Fingern durch seine dunklen Haare und verschlang Suse mit den Augen. Als er meinen Blick auffing, zwinkerte er mir zu. Ich sah schnell weg.
    »Du magst ihn nicht, stimmt’s?« Suses Schultern fielen herab.
    Shit! Das Letzte, was ich vorhatte, war, Suse den Geburtstag zu vermiesen.
    »Du bist meine beste Freundin«, sagte ich und schob so zuversichtlich wie möglich hinterher: »Und Dimo ist cool. Die Hotpants sind sexy. Sie stehen dir bestimmt super.«
    Mit einem schiefen Grinsen stopfte Suse ihr Geschenk zurück in das Papier.
    »Okay.« Sie schüttelte den Kopf und ihre Locken flogen wieder. »Komm, lass uns Spaß haben.«
    Ja. Das war ganz nach meinem Sinn. Ich war wild entschlossen, Spaß zu haben. Und der Abend war wie geschaffen dafür.
    Suse hatte den halben Jahrgang, Dimos Schulband und ein paar Freunde von außerhalb eingeladen, sodass wir eine ziemlich große Gruppe waren.
    Das Lagerfeuer wurde angezündet. Prasselnd und knisternd fingen die Holzscheite eines nach dem anderen Feuer. Goldene Funken stoben in die dunkle Luft und auf der Elbe zogen die Schiffe vorbei. Wenig später schwappten die Wellen dann an den Sandstrand.
    Wir grillten Fleisch, Würstchen und Folienkartoffeln und irgendwann versammelte Dimo alias Dr. No seine Band um sich herum. Der Schlagzeuger und der Gitarrist würden nächsten Sommer Abi machen, die beiden kranken Schwestern gingen in die 11 b, unsere Parallelklasse. Der einen, Dörte, einer dürren mit unzähligen Piercings zugetackerten Blondine, hatte Suse Nachhilfe in Mathe gegeben. Auf diese Weise war sie mit der Band in Kontakt gekommen. Ihre Musik war ein wilder Mix irgendwo zwischen den Ärzten und Revolverhelden.
    Die Band liebte es laut, galaktisch laut, wie Suse sagen würde, und jetzt krachten die Akkorde durch die Nacht. Dimo ging mit seinem Bass in die Knie, kitzelte die Saiten und warf beim Singen das dunkle Haar in den Nacken. Ich explodier, es reißt mich in Stücke, wenn ich mit dir die Welt verrücke . . .
    Als die kranken Schwestern einfielen (ich explodier, ich explodier, ich explodier . . .) , sah Suse mit ihren in der Luft wirbelnden Armen wirklich aus wie eine Rakete vor dem Abflug. Sebastian fasste mich am Arm, flüsterte mir etwas ins Ohr, was ich nicht verstand, an dem umgestürzten Baum lehnte Suses Vater, die Hände ineinander verknotet, auf dem Gesicht ein verlorener Ausdruck, und für einen kurzen, verrückten Moment hatte ich ein Déjà-vu-Gefühl, als ob ich genau das schon einmal erlebt hätte.
    Nach fünf Stücken und unter grölendem Applaus beendeten Dr. No und die kranken Schwestern ihre Freiluftshow und wenig später tanzten wir zu Musik aus der Anlage. Dimo legte auf, Hip-Hop, Techno und Rock, eine ziemlich gute Mischung. Auch ein paar alte Heavy-Metal-Songs aus den Siebzigern waren dabei. Wie Suse hatte ich meine Schuhe ausgezogen. Wir fetzten zu Paranoid von Black Sabbath, gingen voreinander in die Knie, und als Dimo als kleinen Geburtstagsgag das Heidilied aus der alten Zeichentrickserie aus den
    Lautsprechern schmettern ließ, waren Suse und ich nicht mehr zu halten.
    »Heidi«, grölte Suse unter wildem Gekicher mit, »Heidi, deine

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