Luciano
jungen
Frau im Bett zu, die jetzt weinte und den Kopf von einer Seite zur ande
ren warf. Maria schlug die Decke zurück und schob das schmutzige
Hemd hoch, so daß der aufgeschwollene Leib zu sehen war.
»Wie lang, sagen Sie, hat sie schon Wehen?«
»Seit gestern nachmittag.«
Maria beugte sich über die junge Frau, untersuchte sie flüch
tig und drehte sich dann mit ernster Miene wieder
um. »Signor Solazzo, das ist ein ernster Fall. Der Grund für
die langen We hen ist klar. Ein Kind kommt normalerweise mit dem Kopf
voran zur Welt. Dieses da hat aber die umgekehrte Lage.«
»Gott im Himmel!« sagte Solazzo verzweifelt und bekreu zigte sich.
»Eine sogenannte Steißlage, oder?« fragte Luciano.
»Stimmt.«
Die Frau stieß einen schrillen
Schrei aus und bäumte sich im Bett auf, und Solazzo sagte:
»Helfen Sie ihr, Schwester, um Gottes willen.«
»Genau«, sagte sie.
»Um seinetwillen und um ihretwillen. Und jetzt bringen Sie mir
heißes Wasser und Tücher. Zerreißen Sie ein Laken, ein
Hemd, irgend etwas. Und so sauber wie möglich.«
Solazzo lief ans Feuer. Luciano
sagte: »Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Sauber? In diesem
Schweinestall?«
»Wir wollen unser
möglichstes tun, wir alle«, sagte sie. »Auch Sie,
Mister Luciano. Jetzt hören Sie mir gut zu, ich will Ihnen sagen,
was Sie zu tun haben.«
Maria beugte sich über die junge Frau.
»Elena, es geht betimmt gut. Ich möchte, daß Sie mir
vertrauen. Vertrauen Sie mir?«
Elena Solazzo nickte müde, und
Maria wischte ihr den Schweiß vom Gesicht. »Wenn ich sage
pressen, dann pressen Sie mit aller Kraft. Haben Sie verstanden?«
Luciano wartete am Bettende mit einer
Schüssel voll heißem Wasser und einem Armvoll zerrissener
Laken. Solazzo und das alte Weib standen am Feuer. Eines der Kinder in
der Ecke fing an zu weinen, und Solazzo flüsterte der Alten etwas
zu. Sie ging zu den Kindern und beruhigte sie.
Maria machte sich an die Arbeit.
Behutsam griff sie in Ele nas Leib, denn das Wichtigste war jetzt,
daß die Beine des Kindes zum Vorschein kamen. Sie tastete nach
der Kniekehle und stupste ein wenig, und das Bein beugte sich sofort.
Dann wendete sie beim zweiten den gleichen Trick an.
»Und jetzt pressen, Elena«, sagte sie. »So fest es geht.«
Sie streckte die Hände aus, und Luciano wusch und trockne
te sie. Dann faßte sie das Kind fest an den
Beinen und zog, bis die Schultern zum Vorschein kamen, aber die
gestreckten Ärmchen waren noch immer im Leib der Mutter.
Während Luciano zusah, tastete
sie sich nochmals vor, schob die Hand nach links, hakte einen Finger in
den linken Ellbogen und holte den Arm hervor. Sekunden später war
auch der ande re Arm frei.
Elena keuchte wie ein Tier, das von Qual entstellte Gesicht starrte zur Decke.
»Wie geht es?« fragte Luciano leise.
»Bisher ging es gut, aber jetzt
kommt der gefährlichste Teil, der Kopf. Wenn das nicht richtig
gemacht wird …«
Sie schwieg, und Luciano sprach den
Satz zu Ende. »Dann könnte sie ein schwachsinniges Kind am
Hals haben.«
Maria holte tief Atem und versuchte, sich an alles zu erin
nern, was sie während ihrer Ausbildung
gelernt hatte. Das Wichtigste war, den Kopf langsam und stetig
hervorzubringen. Sie schob den rechten Arm unter den Körper des
Kindes, und es gelang ihr, ihm einen Finger in den Mund zu stecken, so
daß sie den Kopf stützen konnte.
Ihre andere Hand lag mit gespreizten
Fingern um den Nak ken, und sie begann zu ziehen. Es war erstaunlich,
wieviel Kraft sie aufwenden mußte –, dann lag das
Neugeborene plötz lich ganz und sicher in ihren Händen.
Das Kind atmete nicht und war
über und über dunkelrot. Mit Stoffstückchen reinigte sie
Nasenlöcher und Mund vom Schleim und legte ihm eine Hand auf die
Brust.
»Ist es in Ordnung?«
»O ja, kräftiger Herzschlag.«
Sehr, sehr vorsichtig blies sie in
den winzigen Mund. Ganz plötzlich dehnte sich der Brustkorb, und
das Baby fing an zu schreien. Solazzos Aufschrei klang wie ein Echo.
Maria band die Nabelschnur ab, dann
durchschnitt sie dieses letzte und wichtigste Band zwischen Mutter und
Kind. »Eine Tochter, Signor Solazzo. Eine gesunde, muntere
Tochter.«
Elena weinte jetzt, die
Tränen mischten sich mit dem Schweiß auf ihrem Gesicht, und
während Maria das Kind in Leinenstreifen wickelte, beugte Solazzo
sich über das Bett.
»Eine richtige kleine
Schönheit. Wir wollen
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