Luciano
Kopfhörer ab. Als er sich eine Zigarette anzündete, ging
die Geheimtür auf, und Vito Barbera trat ein.
»Nun?« fragte er.
»Sie sind unterwegs.«
»Bei diesem Wetter? Da draußen wütet ein regelrechter Or
kan.«
»Um so besser, wenn sie an die Küste gelangen.«
»Was haben Sie ihnen mitgeteilt?«
»Wegen Lucas? Mission
gescheitert.« Vom Zigarettenrauch mußte er husten, und
plötzlich war der jähe, stechende Schmerz in seiner Lunge
wieder da.
Vito sagte: »Ein halber
Brotlaib ist besser als gar keiner, Harry. Ich werde für heute
abend eine Sitzung des Bezirksaus schusses einberufen. Hochwürden
Collura, Verga, die beiden Roten. Allen sagen, sie sollen ihre Waffen
ölen und sich für
morgen bereithalten.«
»Und die Mafia?«
»Im Tal von Bellona spreche ich für
die Mafia«, sagte Vito schlicht. »Luciano und Savage haben
Maria hinauf ins Kloster gebracht. Für Sie wäre es auch
besser, Harry, droben zu über nachten. Sie sehen nicht besonders
gut aus. Ich komme morgen früh nach.«
»In Ordnung.« Carter
stand auf, und Vito Barbera ging ihm durch die Sargkammer voran. Sie
durchquerten den Aufbah rungsraum, und Barbera öffnete die
Tür zur Straße. Es goß in Strömen, alles war
verschleiert, die Häuser, die Berge dahinter. Barbera ging hinaus,
band Carters Maulesel los und führte ihn zur Tür.
Carter bekam einen heftigen
Hustenanfall. Er lehnte am Tür pfosten und hielt sich ein
schmutziges Taschentuch vor den Mund. Als er es wieder wegnahm, sah er,
daß es mit Blut be fleckt war. Er zeigte es Barbera und versuchte
zu lächeln. »Ist das Leben nicht eine feine Sache?«
»Los, Harry«, sagte
Barbera weich. »Je eher Sie droben sind, um so besser. Maria wird
wissen, was man dagegen tun kann.«
Carter kletterte auf den Esel und
setzte sich seitlich in den Sattel. Er ergriff die Zügel und rang
sich ein Lächeln ab.
»Ich bin plötzlich müde, Vito, richtig müde. Sie wissen, was ich meine?«
»Ich weiß, alter Freund, ich weiß«, sagte Barbera betrübt.
Carter stieß den Absatz an den Bauch des Maulesels und ritt über den Dorfplatz davon.
Padre Giovanni hatte einen großen schwarzen
Schirm gegen den Regen aufgespannt und fütterte die Tauben auf der
Brust wehr, als Luciano die Stufen heraufkam.
»Wie geht es Colonel Carter?« fragte der Prior.
Luciano stellte sich unter das
überhängende Blätterdach des Taubenstalls, um sich ein
wenig vor dem Regen zu schützen, und bot dem Prior eine Zigarette
an.
»Nicht gut. Hohes Fieber, nicht
weit von einer Lungenent zündung entfernt. Maria sagt, vermutlich
sei ein chirurgischer Eingriff nötig, und der kann mit Sicherheit
hier nicht vorge nommen werden.«
»Vergessen Sie nicht, die
Amerikaner werden bald hier sein. Dann wird er die denkbar beste
Behandlung bekommen. Aus gezeichnete Ärzte.«
»Wenn er dann noch lebt.«
Luciano blickte hinaus auf die regenverhangenen Berge.
»Eigentlich glatter Wahnsinn. Erst ein paar Wochen her, daß
er eine Kugel in die Lunge kriegte. Er sollte ausgemustert sein und
wieder zu Hause an seiner Uni versität.«
»Er muß ein außergewöhnlicher Mensch sein«, sagte Padre Giovanni.
In einem kleinen Hof unter ihnen ging die Tür auf, und Ma ria trat heraus.
Sie hatte einen alten Regenmantel übergezogen und sah mü de aus, als sie die Stufen heraufstieg.
»Wie geht es ihm?« fragte Luciano.
»Nicht gut. Was wir an
Medikamenten in den Erste-HilfePäckchen haben, ist begrenzt. Ich
habe ihm gegen die Schmer zen Morphium gegeben, und aus der
Klosterapotheke konnte ich Chinin bekommen. Davon habe ich ihm eine
hohe Dosis verabreicht. Es sollte helfen, das Fieber zu
drücken.«
»Wird das genügen?«
»Nein, meiner Meinung nach hat
sich in der Lunge ein Ge schwür gebildet. Ich vermute, daß
die Schußverletzung niemals richtig hat ausheilen können,
hauptsächlich, weil er sich keine Schonung gegönnt
hat.«
»Ich gehe hinunter und setze mich eine Weile zu ihm«, sagte Padre Giovanni.
»Das wäre sehr freundlich, Padre.«
Der alte Mann ging die Stufen
hinunter, und Maria und Lu ciano blieben unter dem schützenden
Dach stehen und blickten hinaus ins Tal, über das der Abend
einfiel.
»Jetzt haben wir die
Bescherung«, sagte Luciano. »Der gan ze Riesenaufwand
stellt sich letzten Endes als gigantische Zeit verschwendung
heraus.«
»Vielleicht«, sagte sie.
Der Wind peitschte Regen
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