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Lucifer - Traeger des Lichts

Titel: Lucifer - Traeger des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Webb
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zog die Hand wieder zurück, ein kurzes Schnippen des Handgelenks, und der silberne Dolch lag in seiner Hand. Die Spitze war gefährlich nahe an ihrem Auge.
    »Er weiß, dass Ihr nicht gern die Tore benutzt! Er hat den Walküren befohlen, alle Fähren zu bewachen, und andere angeheuert, die Flughäfen im Auge zu halten.«
    »Wen, andere? Menschen oder Elfen?«
    »Beides! Ein paar natürliche Zauberer, meistens Elfen.«
    Das passte. Wilde Elfen waren diejenigen, gegen die Sam hauptsächlich sein Netzwerk errichtet hatte. Sie gehorchten nichts und niemandem außer ihrem Verlangen nach Magie, um sich davon zu nähren, oder ihrem Trieb, dem stärksten Herrn zu dienen.
    Er schüttelte die Walküre härter. »Sag ihm, ich habe Freya nicht getötet. Sag ihm, er soll mich in Frieden lassen!«, schrie er, unbeeindruckt von ihren Anstrengungen. Er legte die Hand auf ihre Stirn. Ihre Augen schlossen sich, ihr Körper erschlaffte, und sie blieb mit dem Gesicht nach unten auf dem nassen Deck liegen.
    Vor Kälte zitternd, schob Sam den Dolch wieder in die Scheide. Wenn Thor sämtliche Häfen beobachten ließ, dann hatte er seine Walküren ziemlich ausgedünnt. Er muss wirklich zornig sein.
    Er kehrte in die Wärme des Schiffsinneren zurück, nahm
    seine Tasche an sich, ohne dem erstaunten Barkellner ein Wort der Erklärung zu gönnen, und eilte zu einer Kabine in den Herrentoiletten. Dort zog er seinen nassen schwarzen Mantel aus und ersetzte ihn durch den grünen Anorak. In einem der Bordläden erstand er einen anderen Rucksack, der ihn als »World Trekker« auswies, und stopfte seine Siebensachen hinein. Er setzte die Baseballkappe auf, verzichtete aber auf die Sonnenbrille. Im trüben Februarlicht wäre sie zu auffällig gewesen.
    Ferienreisende sind oft enttäuscht bei ihrer Ankunft in Calais. Nachdem man Dover, das größtenteils zerbombt und später behelfsmäßig wieder aufgebaut worden war; hinter sich gelassen hat, wünscht man sich, in einem schmucken Hafen zu landen, wo ein Mann mit einem Strohhut Wein und Knoblauch verkauft. Aber nicht in Calais. Vom Hafen geht es direkt weiter zur Autobahn, von wo aus der Blick über Eisenbahn-, und Industrieanlagen schweift. Der Bus zum Stadtzentrum fährt vorbei an Reklamewänden und riesigen Wellblechbaracken, in denen Berge von Beton aufgehäuft sind, in Vorbereitung auf den unseligen Tag, an dem die Welt so viel von diesem Zeug braucht. Das erste Anzeichen dafür, dass man in einem anderen Land ist, ist das Rathaus aus rotem Ziegelstein, in pseudo-mittelalterlichem flämischen Stil, mit einem riesigen Uhrturm. Wie die zynischeren Touristen betonen, ist es sicher nicht Dover Casde. Aber es ist anders.
    Das Endziel des Busses waren die beiden Eisenbahnstationen der Stadt, die eine international, die andere regional. Sam kaufte eine Fahrkarte und lief zum Bahnsteig, von dem der Zug nach Paris abging. Er erreichte ihn Sekunden, bevor das Pfeifsignal ertönte. Doch gewiss nicht zu früh. Wann würde die Trance, in die er die Walküre versetzt hatte, abklingen? War es jetzt schon bekannt, dass er in Calais von der Fähre gegangen war?
    Kann ich es wagen zu schlafen ?, fragte er sich, als der Zug aus dem Bahnhof ratterte. Oder gibt es mehr Feinde dort draußen, die auf mich warten? Wegen eines Verbrechens, das ich nicht begangen habe? Oder um einer Wahrheit willen, deren Entdeckung Freya den Tod gebracht hat?
    Es war auf einer anderen Zugfahrt gewesen, von Paris nach Orleans, als er sich damals entschlossen hatte, aktiv zu werden. Er hatte dies nur mit Widerstreben getan, da er wusste, wie gefährlich es war, sich in Belange der Sterblichen einzumischen.
    Seine Mitreisenden waren eine Frau mit Hut und schickem Mantel, die steif und mit leerem Gesicht dasaß. Entweder eine Spionin oder eine Informantin, sagte er sich aus einem plötzlichen Gefühl heraus. Ein Mann, der grobe, schmierige Kleidung trug, mit ungekämmtem Haar und Schmutz an Gesicht und Händen. Ein paar kichernde kleine Kinder, die ihre Nasen gegen das Fenster drückten und die draußen im Dunkel vorbeirauschende Landschaft zu erkennen versuchten. Eine weitere Frau in einem schäbigeren Mantel, die bei ihrem Mann saß. Auf ihrer Stirn stand eine unauslöschliche steile Falte.
    Sam hatte gewusst, dass er früher oder später eingreifen würde. Er hatte die zerbombten Häuser in London gesehen, Gerüchte über Konzentrationslager gehört, war selbst im Warschauer Ghetto gewesen. In seinem Herzen wusste er, das Einzige, was

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