Lucifer - Traeger des Lichts
ihn zurückhielt, war Angst. Immer noch fürchtete er die Sterblichen.
»Papiere.« Ein deutscher Soldat, der Französisch mit starkem Akzent sprach, betrat das Abteil. Sams Luc-Satise-Ausweis wurde kurz überprüft und dann zurückgegeben. Die Papiere der Frau mit dem Stirnrunzeln und ihres Ehemanns wurden inspiziert und einbehalten. Der Soldat verließ das Abteil wieder und zog die Tür zu. Von draußen hörte man eine halbherzige Unterhaltung mit seinem vorgesetzten Offizier.
»Sie stehen auf der Liste, Herr Hauptmann.«
»Sind Sie sicher?«
Sam warf einen Blick auf das Paar. Sie hielten einander bei den Händen. Ihre Gesichter waren leer. Resistance-Kämpfer. Sie sind verraten worden, die Soldaten können sie identifizieren.
Die Abteiltür wurde erneut aufgestoßen, und der Soldat deutete mit einer Pistole auf die beiden. »Ihr zwei. Mitkommen!«
Ohne ein Wort standen sie auf. Furcht war in ihren Mienen zu lesen. Sam sah in ihre Gesichter, in die Dunkelheit draußen und wieder zurück. Selbst die Kinder waren verstummt.
Der Mann und die Frau wurden in Richtung Zuganfang fortgeführt. Sie hielten die Köpfe gesenkt, in der unterwürfigen Haltung von Gefangenen. Sam wandte sich an seinen Nebenmann und fragte mit leiser Stimme. »Wie weit ist es noch bis Orleans?«
»Wir sind bald da.«
»Man wird sie erschießen, nicht wahr?«
»Erst verhören.« Es schien ihn gleichgültig zu lassen.
Sam stand auf. Draußen auf dem schmalen Gang hangelte er sich am Handlauf bis zum Ende des Wagens und schob ein Fenster hoch. Zum Glück trug der Wind den Qualm zur anderen Seite des Zuges. Er steckte den Kopf hinaus und blickte nach vorn zur Lokomotive hin. Seine Augen schlossen sich kurz, als er seine geistigen Fühler ausstreckte. Bremsen kreischten. Sam wurde auf eine Seite geschleudert. Der Zug ächzte unter dem Druck der plötzlichen Verlangsamung. Als er rüttelnd zum Halten kam, stieß Sam eine Wagentür auf und sprang hinunter in die Nacht.
Durch die Dunkelheit rannte er nach vorn den Zug entlang. Plötzlich sprang vor ihm ein deutscher Soldat heraus und schrie den Lokführer an. Sam duckte sich unter einen Wagen, kroch zur anderen Seite hindurch und lief geduckt weiter den Bahndamm entlang. Jetzt schrien bereits zwei Soldaten auf das Zugpersonal ein, das sich verwirrt auf dem Führerstand drängte, um herauszufinden, warum die geölte und bislang reibungslos funktionierende Maschinerie sich plötzlich gewaltsam sperrte.
An den Abteilen der ersten Wagenklasse angekommen, riskierte Sam einen Blick durchs Fenster. Zwei gelangweilte deutsche Soldaten hielten mit angelegten Gewehren das stumme französische Paar in Schach. Die Gefangenen trugen Handschellen, und das Gesicht des Mannes zeigte bereits Anzeichen eines Blutergusses am Mund.
Wieder fasste Sam einen Entschluss, auch wenn er sich selbst dafür einen blinden Narren schalt. Alle vier Köpfe fuhren herum, als er gegen das Glas klopfte. Er klopfte noch einmal, dann trat er schnell zurück und presste sich gegen die Seite des Zuges. Die Tür ging auf, und ein deutscher Soldat streckte den Kopf heraus. Sam sprang hoch, packte ihn um den Nacken, zog ihn in die Dunkelheit, wobei er rigoros sein Bewusstsein durchforstete. Ein sterblicher Geist, unvorbereitet - davon abgesehen hatten die Menschen es nie verstanden, sich gegen die Gedanken eines anderen zu verteidigen. Ein Ruf ertönte, und der Kamerad des Soldaten erschien mit angelegtem Gewehr in der Wagentür. Doch Sam stand bereit, ihn in einem Netz aus Magie zu fangen. Als der Mann heraussprang, trug ihn sein Sprung bis über den Bahndamm hinaus. Ein Aufschrei, ein Wimmern, dann blieb er liegen; sein Bein stand in einem unnatürlichen Winkel ab. Mehr Schreie und Rufe waren zu hören.
»Kommt!«, rief Sam. Der Mann und die Frau brauchten keine weitere Aufforderung und kletterten so schnell aus dem Zug, wie es ihre Handschellen erlaubten.
»Beeilt euch!« Sie rannten los, brachen sich blindlings ihren Weg durch das Dornengestrüpp am Fuße des Bahndamms. Hinter ihnen ertönte Gewehrfeuer, und Sam spürte, wie ihn etwas im Rücken traf. Der Schlag schleuderte ihn herum und warf ihn zu Boden. Der Mann und die Frau hielten inne, doch mit einer atemlosen und schmerzerfüllten Stimme rief er: »Weiterlaufen!« Sie zögerten, dann flohen sie in die Dunkelheit
Keuchend vor Schmerz kroch Sam auf Händen und Knien durch Dornsträucher und Farngebüsch. Die Ranken zerrissen seine Kleider, und seine Hände bluteten. Nach
Weitere Kostenlose Bücher