Lucifer - Traeger des Lichts
davon ab und ging über den glatten Marmorpfad auf die einzige, schwache Lichtquelle zu. Das Licht kam aus einem kleinen Durchgang, ein mattes weißes Flackern eines magischen Scheins, der niemals erlosch. Im Eingang hielt er inne und nahm seine silberne Krone hervor, setzte sie auf in Ehrerbietung für einen anderen gekrönten Fürsten, der für alle Ewigkeit im Inneren ruhte. Dann zog er sein Schwert und trat ein.
Die Höhle war riesig. Sie war trocken, trotz des rauschenden Flusses draußen und des unnatürlich stillen Sees in ihrem Zentrum. In der Mitte dieses Sees ruhte ein goldener Sarg auf einer Plattform aus Diamant, die auf dem Wasser schwamm, als sei sie nicht schwerer als eine Feder. Die Wände waren aus Kristall und warfen unendliche Widerspiegelungen des weißen magischen Lichts der Höhle zurück, die alle Schatten vertrieben. Wo ein verirrter Lichtstrahl sich fing, wurde er in die Tiefen des größten Kristalls zurückgeworfen und trat auf der anderen Seite gebrochen wieder hervor, um Baldurs letzte Ruhestätte mit allen Farben des Regenbogens zu erfüllen.
Sam verneigte sich steif vor dem Grab, das traditionelle Zeichen des Respekts, und umrundete mit leisen Schritten den See, wobei er den Blick nie von dem goldenen Sarg nahm. Er hatte das Gefühl, wenn er spräche, würde der Schrein zerspringen und in sich zusammenfallen. Er hielt sein silbernes Schwert gezückt, um sich selbst ebenso wie die Hüter des Ortes davon zu überzeugen, dass er ein Fürst des Himmels war, von gleichem Rang wie dieser schlafende Sohn von Licht. An diesem Ort würde keiner je Blut vergießen. Es war ein Heiligtum, die ultimative Freistatt.
Er brauchte nicht lange zu warten. Dennoch fuhr er unwillkürlich zusammen, als eine leise Stimme vom Eingang her sagte: »Schau an, wen haben wir denn da? Was macht der Rücken?«
Seth, gekleidet mit seiner üblichen Eitelkeit, stand in der Tür. Er trug ein langes, gekrümmtes Schwert an der Seite und war mit einer langen schwarzgoldenen Samtrobe bekleidet, die in den späten Sechzigerjahren für gerade mal zehn Minuten der letzte Schrei gewesen war, heute aber nur noch im Kleiderschrank von Exzentrikern überlebte.
Unbehaglich nahm Sam die dunklen lachenden Augen wahr, die Intelligenz wie einen Makel trugen. Sams eigenes weißes Gesicht war hart wie Stahl. Er steckte sein Schwert ein. »Ich weiß, was du vorhast.«
»Das freut mich für dich.«
»Ich weiß, dass du versuchst, die Hölle zu übernehmen.«
»Nur einen kleinen Teil davon. Und nicht für lange.«
Sams Gesicht wurde warm, und sein Magen zog sich zusammen. Er schluckte die Worte herunter, die mit der Galle aufstiegen. »Du hast Freya getötet.«
»Nicht persönlich.«
»Dann hat Jehova es getan. Oder Odin.«
»Sie war uns im Weg. So wie du.«
»Du willst sie wirklich freisetzen? Die Pandora-Geister? Alle drei? Und Uranos?« Selbst jetzt konnte Sam seinen eigenen Worten kaum glauben.
»Ja. Wenn es sich anbietet.« Seth seufzte, als langweile ihn das. »Weißt du, ich bin nur aus Neugierde gekommen.« Er blickte Sam an. »Und um den Feind einschätzen zu können.«
»Warum bin ich dein Feind?«
»Es ist nicht, wer du bist, Lucifer, sondern was du bist. Der Träger des Lichts. Du bist Vaters Werkzeug, dazu bestimmt, in seinem Dienst zu sterben. Du hast keine Wahl. Nicht seit wir uns aktiv gegen Vater aufgelehnt haben und Vater Freya ausgeschickt hat, um ums nachzuspionieren ...«
»Hat er das?«
»Höchstwahrscheinlich. Wobei ich zugeben muss«, fügte er mit einem plötzlichen schiefen Lächeln hinzu, »dass sie die Sache ziemlich verpatzt hat. Der einzige Grund jedoch, weshalb ich hier bin, ist, um zu sehen, was Vater uns als Nächstes zwischen die Beine werfen wird. Sieht so aus, als wärst du es.« Er legt den Kopf auf die Seite. »Warum wolltest du, dass wir uns treffen? Warum willst du mich sehen?«
»Vielleicht, weil... weil ich dich einst respektiert habe. Ich wollte sehen, was davon übrig ist. Ich hoffte, wir könnten dieser Sache Einhalt gebieten.«
»Mein lieber Junge, du kommst mehrere Jahrhunderte zu spät. Aber du warst nie auf der Höhe der Zeit.«
Sam sagte nichts, doch er spürte, wie der Hass in ihm aufstieg. Seth hatte alles, was ich nie hatte , und sieh, was er daraus gemacht hat.
»Nein«, sagte Seth schließlich, ohne die Augen von Sam zu nehmen. »Ich glaube nicht, dass du ein Problem sein wirst. Es ist wirklich schade. Du hättest ein großer Verbündeter sein können. Wenn Baldur
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