Lucifers Lady
Nur die Rache würde seine Wunden heilen lassen - jedenfalls glaubte das Lucian.
„Es wird deine Albträume nicht vertreiben, wenn du Catherine Abelard die Unschuld raubst.“
„Nein, das wird es nicht. Aber es wird dem Marquis Albträume verschaffen.“
„Wenn er so ein Ungeheuer ist, wie du glaubst, warum sollte es ihn dann kümmern, was du seiner Stieftochter antust? Warum willst du mit dem entscheidenden Beweis, den du gegen ihn erhoben hast, nicht dafür sorgen, dass er im Tower verrottet, oder noch besser, dass er seinem Schicksal am Galgen begegnet?“ Lucian lehnte sich an den Mast und verschränkte die Arme vor der nackten Brust. „Das wäre zu einfach, mein Freund. Ich möchte, dass er gedemütigt wird, so wie ich es wurde.“
„Aber das wurde er bereits“, beharrte Santos. „In den vergangenen Monaten hat er viele Freunde und Vertraute verloren. Er wurde von seinen eigenen Peers gerichtet und verurteilt. Genügt das denn noch nicht?“
Lucians Züge verhärteten sich. „Nein. Jetzt erst wird sein Leiden beginnen. Es ist allgemein bekannt, dass seine Stieftochter einen besonderen Platz in seinem Herzen einnimmt. Er liebt sie sehr und wird niemals wollen, dass ihr etwas zustößt. Was meinst du, wie er sich fühlen wird, wenn sie entehrt zu ihm zurückkehrt? Wie wird er sich wohl fühlen, wenn er erfährt, dass sie die Hure des berüchtigten Piraten Lucifer war? Glaubst du, es wird ihn schmerzen, ihm das Herz brechen?“ So wie meines einst gebrochen wurde.
Die Missbilligung stand Santos ins Gesicht geschrieben. Lucian stieß sich vom Mast ab und legte seine Hand auf die Schulter des Freundes. Er überragte ihn ein gutes Stück. Aber in den Augen des kleineren Mannes stand keine Furcht zu lesen, nur Besorgnis.
„Ich weiß, dass du dies nicht billigst, aber ich muss ihm die Qualen zurückzahlen, die er mich hat erleiden lassen. Ich kann den Hass und den Zorn nicht überwinden. Er frisst an mir, und er wächst. Vielleicht wird dies seine letzte Mahlzeit sein, und dann bin ich endlich frei.“
„Ich hoffe es, Lucian. Ich hoffe es“, sagte Santos und ging davon.
„Denkt an die Taue, ihr verdammten Narren. Wir sind unterwegs!“
Lucians Füße blieben fest gegen das Deck gestemmt, als das Schiff sich von dem Segler, der ruhig im Wasser lag, entfernte. Er wandte sich ab und sah zum Horizont.
Lucian Darcmoor gab es nicht mehr. Er war ein arroganter junger Narr gewesen, der Sohn eines Earl, verwöhnt von Reichtum und seiner Stellung, bis . . .
Er kniff vor den schmerzlichen Erinnerungen die Augen zusammen, als er daran dachte, wie er zum ersten Mal die Peitsche auf seinem Rücken gefühlt hatte. Die dünnen Lederbänder schnitten wie Rasierklingen in seine Haut. Und jedes Mal, wenn er dachte, dass es vorüber wäre, hörte er sie wieder durch die Luft pfeifen, einmal und noch einmal und noch einmal. . .
Nachdem er viele Stunden an den Mast gefesselt geblieben war, als Mahnung für alle anderen, die sich vielleicht auflehnen wollten, hatte man ihn losgeschnitten und kaltes Seewasser in die offenen Wunden geschüttet. Er hatte entsetzlich geschrien, aber bald hatte er gelernt, die Schreie zu unterdrücken und sich von den Qualen zu erlösen.
Innere Stärke und Selbstbeherrschung waren die beiden Lektionen, die er durch die Schläge gelernt hatte.
Schließlich wurden die Peitschenhiebe seltener, aber der Kapitän, dessen Durst nach dem Blut und dem Schmerz eines anderen Mannes unersättlich war, erfand andere Arten der Folter. Lucian lernte bald, seine Zunge zu beherrschen, vor allem, wenn ein anderer Seemann seine aus einem nichtigen Grund löste.
Er trat an die Reling und umklammerte sie mit festem Griff. Sein Blick war auf die Wasseroberfläche geheftet, aber was er vor sich sah, war sein erster Kampf gegen Piraten. Er war erleichtert gewesen, als die blutrünstige Mannschaft das Schiff angriff, auf dem er diente. Ehe der Kapitän seinen letzten Atemzug tat, entlockte Lucian ihm einen Namen. Den Na-
men des Mannes, der dafür verantwortlich war, dass er wegen sogenannter Schulden an ihn verkauft worden war.
Der Kapitän hauchte den Namen Abelard und starb.
Lucian brannte diesen Namen seinem Gedächtnis ein, und es verging kein Tag, an dem er nicht an den Marquis dachte. Er konnte wählen, sich den Piraten anzuschließen oder zu sterben. Der Tod war keine Alternative für ihn, obwohl sich mancher Mann, der seinen Lebenswillen verloren hatte, dafür entschied.
Es folgten fünf lange
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