Lucifers Lady
lautlos bewegen konnte. Sie entschied sich für ein hellrosa Batisthemd, das am Ausschnitt mit Rosen bestickt war. Es war eines ihrer Lieblingshemden, und sie trug es oft unter einem Kleid. Es hatte keine Ärmel und schmiegte sich sanft um ihren Körper.
Sie legte die Perlen darüber und atmete leichter, als sie sich wieder so geschützt wusste. Dann entdeckte sie das weiße Seidenhemd des Kapitäns auf dem Bett, wo sie es zuvor hingelegt hatte.
Mit einem boshaften Funkeln ihrer Augen griff sie nach dem Hemd. „Ich werde es weiterhin tragen, Lucian.“
Es erschreckte sie, dass sie seinen richtigen Namen benutzt hatte, und sie zögerte einen Moment, ehe sie das Hemd aufhob.
„Lucian“, flüsterte sie und lauschte noch einmal auf den Klang dieses Wortes. Dann schlüpfte sie in das Hemd und rieb ihre Wange an dem weichen Stoff.
„Wer bist du, Lucian?“ Diese Frage hatte sie in der letzten Zeit häufiger beschäftigt. Seine Sprache war genauso gewandt wie seine Tischmanieren. Er war glatt rasiert, und wenn er abends in die Kabine kam, war seine Haut meistens noch feucht, als hätte er sich gerade gewaschen. Und sein langes rotbraunes , Haar roch immer nach Sonne und Meer.
Er war kein gewöhnlicher Mann. Konnte er von vornehmer Herkunft sein? Aber das würde keinen Sinn ergeben. Ein Edelmann würde niemals in den Dienst eines Handelskapitäns verkauft werden. Vielleicht war er ein illegitimer Abkömmling eines Aristokraten, der nicht wollte, dass dieses Geheimnis bekannt wurde. Sie schüttelte den Kopf. Sie wollte noch häufiger mit Santos sprechen und alles in Erfahrung bringen, was sie konnte. Irgendwann würde sie einen Sinn in alldem erkennen.
Sie sprach gern mit Santos. Er behandelte sie stets wie eine Dame. Und sie hatte das Gefühl, dass er zwar Lucians Anweisungen befolgte, aber nicht immer mit ihm einer Meinung war.
Catherine gähnte und sah zum Fenster. Der Regen trommelte gegen die Scheiben. Der Himmel war grau, und wegen des schlechten Wetters würde es früh dunkel werden.
Sie schloss den Deckel der Truhe und sah sich auf dem Boden um. Einige persönliche Gegenstände umgaben sie, und sie lächelte. Sie beabsichtigte, die Kabine mit ihren eigenen Dingen auszustatten, um Lucian noch mehr zu verwirren, so dass er hoffentlich der Kabine noch öfter entfloh. Dann wäre sie frei, um in Ruhe nach den Dokumenten zu suchen, und vor allem wäre sie auch sicher vor ihm.
Sie legte ihren silbernen Kamm und den Spiegel auf die Seekiste neben Lucians Bett. Dazu stellte sie eine Flasche mit Rosenwasser.
Sie hängte ihre Seidenbänder über den Messinghaken am Waschtisch und stellte ihre weißblaue Seifenschale auf das Regal unter dem Haken und legte noch ein Stück Rosenseife dazu.
Ein Rumoren in ihrem Magen erinnerte sie daran, dass sie Hunger hatte und es gleich Essen geben würde. Sie entschied, den Tisch an diesem Abend etwas förmlicher zu decken. An den vergangenen Abenden hatte Lucian sich zu ihr gesellt, und sie hatte sich von seiner Anwesenheit und seiner Schweigsamkeit eingeschüchtert gefühlt. Nicht an diesem Abend. An diesem Abend würde sie die Hure so überzeugend darstellen, dass er hinausstürmen und niemals zurückkehren würde.
Sie lachte über ihre eigenen Tagträume und machte sich an die Arbeit. Sie nahm einen weißen Spitzenschal aus der Kiste und legte ihn in die Mitte über den narbigen Tisch. Dann holte sie die Kristallgläser und das Perlmuttbesteck aus dem Schrank, in dem Lucian Wein und Cognac aufbewahrte, und stellte alles ordentlich hin. Sie wählte eine Flasche Rotwein aus dem unteren Regal und schob die Öllampe in die Mitte des Tisches.
Das flackernde Licht spiegelte sich in dem Glas wider, und der Umstand, dass nur für zwei gedeckt war, deutete an, dass es ein intimes Essen für ein Liebespaar sein sollte.
Catherine lächelte, zog Lucians Hemd aus und setzte sich an den Tisch, um zu warten.
Der Regen hatte Lucian durchnässt. Die Kleider klebten ihm am Leibe, und Wasser tropfte aus seinem Haar. Er hätte sich schon längst unter Deck begeben können, seinen Männern hätte das nichts ausgemacht. Aber ihm. Als er das Schiff übernommen hatte, hatte er gelobt, von seiner Mannschaft nichts zu erwarten, was er nicht auch selbst tun würde. Er hatte ihren Respekt gewonnen und ihre Treue, und er hatte nicht die Absicht, diese Privilegien zu missbrauchen.
Er stieg die Stufen zu seiner Kabine hinunter, müde und erschöpft von den Pflichten, die er absolviert hatte. Er war
Weitere Kostenlose Bücher