Lucifers Lady
erläuterte sie.
„Sanftmut“, sagte er und lachte, „passt nicht zu Ihnen, Catherine.“ Er ging hinaus und warf die Tür so heftig zu, dass Catherine zusammenzuckte.
Ihre Schultern sanken vornüber, und sie seufzte tief. Dann, als hätte sie die Verzweiflung plötzlich abgeschüttelt, sprang sie aus dem Bett. Sie hatte keine Zeit für Selbstmitleid. Es gab viel zu tun. Trägheit würde sie nicht weiterbringen, und sie sehnte sich verzweifelt nach ihrem Zuhause.
Während sie sich rasch wusch in der weißen Keramikschüssel auf dem Tisch aus Holz und Messing neben dem Ofen, dachte sie an ihren Vater. Sie fragte sich, wie es ihm wohl gehen mochte. Besser? Würde es ihm schlechter gehen, wenn er von ihrem Schicksal erfuhr? Würde er versuchen sie zu finden?
Der Marquis war ein perfekter Vater gewesen und hatte sie bedingungslos geliebt. Sie erinnerte sich, dass er sie, als sie ungefähr zehn war, bei einer kleinen Lüge ertappt hatte. Er hatte sich die Zeit genommen, mit ihr über den Wert der Ehrlichkeit zu sprechen, und wie wichtig es war, sein Wort zu halten. Sie hatte versprochen, ihn niemals - nie wieder - zu belügen. Und er hatte dasselbe getan.
Diese Erinnerung war der Grund, warum sie wusste, dass ihr Vater nichts mit Captain Lucifers Anschuldigungen zu tun haben konnte. Er war ein gerechter und ehrlicher Mann. Seine Handelsschiffe gehörten zu den wenigen, auf denen die Besatzung nicht misshandelt wurde. Er kämpfte für die weniger glücklichen, obwohl seine Ideale ihn bei seinen Standesgenossen nicht eben beliebt machten. Er war ein Mann von starken Überzeugungen, und deswegen war die Anklage wegen Verrats so lächerlich.
Catherine saß auf dem Stuhl neben dem Kamin und trocknete sich gedankenverloren die Hände ab, als ein Geräusch vor der Tür sie aufschreckte.
Ein lauter Krach wurde gefolgt von einem Schmerzensschrei und streitenden Stimmen. Eine Stimme erkannte sie, und sie lächelte.
„Du ungeschickter Narr, ich hätte einen der anderen mitnehmen sollen, einen mit mehr Verstand“, beklagte sich Santos, als er die Tür weit aufschob und hereinhumpelte.
„Es ist schwerer, als es aussieht, Santos. Wirklich“, erklärte Bones und zerrte die Truhe aus poliertem Eichenholz in die Kabine.
Catherine legte ihr Handtuch diskret über ihre bloßen Beine und lächelte zur Begrüßung.
Bones strahlte von einem Ohr zum anderen, und Catherines eigenes Lächeln vertiefte sich. „Ich kann Ihnen nicht sagen, wie dankbar ich bin, dass Sie mir meine Sachen bringen. Das ist sehr umsichtig von Ihnen.“
Santos lachte und Bones errötete, während er nach den richtigen Worten suchte. „Danke, es war mir ein Vergnügen, Ihnen . . .“
„Das genügt“, mischte sich Santos ein. „Er hat nur die Befehle des Captains befolgt und benötigt keinen Dank.“
„Das stimmt, das stimmt“, bestätigte Bones und nickte. „Der Captain sagte mir, ich solle Ihre Truhe holen und sie schnell hierher bringen. Und ich mache immer, was der Captain sagt, was es auch sein mag.“
„Warum?“ fragte Catherine.
Beide Männer sahen sie an, als wäre sie nicht recht bei Verstand.
„Ich soll erklären, warum ich wissen will, wieso Sie immer die Befehle des Captains befolgen?“
Beide nickten.
„Ich habe Geschichten von Piraten gehört, vor allem über
Captain Lucifer, und ich fragte mich, ob er vielleicht zu seiner Mannschaft so grausam ist, wie in den Geschichten behauptet wird.“
„Wer verbreitet diese verdammten Lügen? Ich und die Mannschaft, wir . . .“
„Bones!“ rief Santos. „Hüte deine Zunge in Anwesenheit der Dame.“
„Verzeihung, Madam“, sagte Bones und verbeugte sich leicht.
Catherine nahm seine Entschuldigung mit einem Nicken entgegen, zu verblüfft, um zu sprechen. Sie hatte nicht erwartet, dass die Mannschaft ihrem Kapitän gegenüber loyal sein würde, vor allem nicht, dass sie so weit gehen würde, ihn mit körperlichem Einsatz gegen einen verbalen Angriff verteidigen zu wollen. Und vor allem hatte sie ganz und gar nicht erwartet, dass Santos sie als Dame bezeichnen würde. Es berührte und bekümmerte sie zugleich. Sie konnte es sich nicht leisten, ihre Charade auffliegen zu lassen, aber es war nett, dass jemand sie als solche ansah.
„Schieb die Kiste ans Fußende des Bettes, und dann hinaus mit dir“, befahl Santos knapp.
„Ich werde nur noch . . .“
„Au! “ schrie Santos, als Bones gegen seinen anderen Fuß stieß bei dem Versuch, die Truhe dorthin zu ziehen, wohin
Weitere Kostenlose Bücher