Lucky - Nur eine Frage der Zeit
Nein, Wes Skelly mochte sich in vieler Hinsicht wie ein Höhlenmensch benehmen, aber sein Ehrenkodex war über alle Zweifel erhaben.
Dennoch: Es würde zu Wes passen, so eine Riesendummheit zu begehen, wie sich in die Frau eines guten Freundes zu verlieben. Und wenn das geschehen wäre, hätte Wes sofort jeden Kontakt zu Lana abgebrochen. Lucky vermutete, dass ihr das klar war. Immerhin war sie Psychologin.
Himmel, das Leben war kompliziert! Es war schon kompliziert genug ohne die Ehe und die Einschränkungen, die sie einem auferlegte. Nein! Er würde niemals heiraten, vielen Dank auch.
Selten verging ein Tag, an dem Lucky sich diesen Entschluss nicht in Erinnerung rief. Es war sein Mantra. Niemals heiraten. Niemals heiraten.
Und doch … In letzter Zeit, vor allem wenn er Frisco und seine Frau Mia beobachtete oder Blue und Lucy oder sogar Captain Joe Cat, der schon viel länger als alle anderen in der Alpha Squad mit Veronica verheiratet war, dann empfand Lucky so etwas wie …
Neid.
Herrgott! Er gab das gar nicht gern zu, aber er war tatsächlich ein wenig neidisch. Wenn Frisco seiner Mia den Arm um die Schultern legte. Oder wenn sie hinter ihn trat und nach einem langen Tag seine Schultern massierte. Wenn Lucy im überfüllten hektischen Büro der Alpha Squad vorbeischaute und Blue den Blick hob, sie strahlend anlächelte und sie zurücklächelte. Oder Joe Cat, der Veronica bei jeder sich nur bietenden Gelegenheit anrief. Von einem Münzfernsprecher in Paris. Aus dem australischen Busch nach einem Trainingseinsatz. Er senkte dabei die Stimme, aber Lucky bekam trotzdem mehr als einmal mit, was gesagt wurde: “Hey Babe, fehle ich dir? Gott, du fehlst mir so sehr …”
Und mehr als einmal bildete sich dabei ein peinlicher Kloß in seinem Hals.
Trotz seines eher verzweifelt klingenden Mantras – wenn er Joe, Blue, Frisco und alle anderen verheirateten Mitglieder der Alpha Squad so anschaute, wirkten die Gefahren einer lebenslangen Bindung ausgesprochen verlockend.
Lucky sah zu, wie Sydney sich auf die Kante der Couch setzte, die Arme vor der Brust verschränkte und sich in Lanas gemütlichem Sprechzimmer umsah. Sie wollte nicht hier sein, wollte sich nicht hypnotisieren lassen. Ihre Körpersprache hätte diese Botschaft kaum deutlicher übermitteln können.
Er setzte sich in einen Stuhl ihr gegenüber. “Danke, dass Sie sich dazu bereit erklärt haben.”
Unverkennbar nervös und mit verkniffenem Mund schüttelte sie den Kopf. “Ich glaube nicht, dass es funktionieren wird.”
“Kann sein, kann auch nicht sein. Warten wir’s ab.”
“Seien Sie nicht zu enttäuscht, wenn es nicht funktioniert.”
Sie hatte Angst zu versagen. Das verstand Lucky. Er fürchtete sich genauso vorm Versagen wie sie.
“Warum ziehen Sie nicht Ihre Jacke aus?”, schlug Lana vor. “Machen Sie es sich bequem. Öffnen Sie die oberen Knöpfe Ihrer Bluse, krempeln Sie die Ärmel hoch. Ich möchte, dass Sie sich so wohlfühlen wie nur irgend möglich. Ziehen Sie die Schuhe aus, entspannen Sie sich.”
“Ich glaube nicht, dass das funktioniert”, wiederholte Sydney, diesmal an Lana gerichtet, während sie aus ihrer Jacke schlüpfte.
“Machen Sie sich darüber keine Gedanken”, beruhigte Lana sie und setzte sich in einen Stuhl neben sie. “Bevor wir weitermachen, möchte ich Ihnen sagen, dass meine Methode ein bisschen unkonventionell ist. Aber ich habe damit einige Erfolge bei der Arbeit mit Verbrechensopfern zu verzeichnen. Die Methode hilft ihnen, die zeitliche Abfolge und Einzelheiten von bestimmten traumatischen oder beängstigenden Ereignissen zu klären. Haben Sie bitte etwas Geduld. Es gibt keine Garantie, dass es funktioniert, aber die Chancen stehen besser, wenn Sie versuchen, sich dafür zu öffnen und darauf einzulassen.”
Syd nickte. “Ich versuche es.”
Sie versuchte es wirklich, so viel nahm Lucky ihr ab. Sie wollte nicht hier sein, sie musste nicht hier sein. Und doch war sie mitgekommen.
“Fangen wir damit an, dass Sie mir erzählen, was Sie bei der Begegnung mit dem Mann auf der Treppe empfanden”, fuhr Lana fort. “Haben Sie ihn kommen sehen, oder hat er sie überrascht?”
“Ich hörte seine Schritte auf der Treppe”, antwortete Syd und öffnete langsam die obersten drei Knöpfe ihrer Bluse.
Lucky schaute hastig weg, als ihm klar wurde, dass er wie gebannt auf ihre Finger starrte. Er wollte nicht, dass sie beim dritten Knopf aufhörte. Mit erschreckender Klarheit fiel ihm wieder ein, wie
Weitere Kostenlose Bücher