Lucky - Nur eine Frage der Zeit
… warum du zu den SEALs gegangen bist.”
Luke antwortete nicht sofort. Er rührte Zitrone und eine Menge Zucker in seinen Eistee, legte dann den Löffel in den Geschirrspüler. Dann nahm er sein Glas, wandte sich Richtung Wohnzimmer und bedeutete Syd, sie solle mitkommen.
Also folgte sie ihm – zu einer Wand, an der viele gerahmte Fotos hingen. Sie waren ihr schon bei ihrem letzten Besuch aufgefallen. Kinderfotos von Luke, mit sonnengebleichten Haaren, die noch heller waren als heute. Teenagerfotos von Luke, die Arme um ein rundliches dunkelhaariges kleines Mädchen geschlungen. Fotos, auf denen er mit einer erschreckend dünnen blonden Frau zusammen war, die seine Mutter sein musste. Und Fotos, die ihn mit einem dunkelhaarigen, dunkelhäutigen Mann zeigten.
Er deutete jetzt auf eins der Bilder mit dem Mann.
“Das”, sagte er, “ist Isidro Ramos. Er ist der Grund, weshalb ich zu den SEALs gegangen bin.”
Syd schaute sich das Foto genauer an. Sie konnte Wärme in den Augen des Mannes sehen, der einen Arm um Lukes Schultern gelegt hatte. Sie sah auch die Bewunderung im Lächeln des Jungen. “Wer ist das?”, fragte sie.
“War”, gab er zurück, ließ sich auf der Couch nieder, nippte an seinem Eistee und legte die Füße hoch auf den Couchtisch.
Syd kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass sein Gleichmut nur gespielt war. In Wirklichkeit war er hochgradig angespannt. Aber lag das am Gesprächsthema oder an ihrer Gegenwart?
“Isidro starb, als ich sechzehn war”, sagte er. “Er war mein Vater.”
Sein … Syd schaute noch einmal auf das Bild. Niemals konnte ein so dunkelhäutiger Mann einen so blonden Sohn haben.
“Nicht mein biologischer Vater”, fügte Luke hinzu. “Das ist offensichtlich. Aber er war viel mehr mein Vater, als Shaun O’Donlon es je sein wollte.”
Syd setzte sich ans andere Ende der Couch. “Und seinetwegen bist du zu den SEALs gegangen?”
Er wandte sich ihr zu und sah sie an. “Willst du die Lang- oder die Kurzfassung hören?”
“Die lange”, antwortete sie, streifte ihre Sandalen ab und schlug die Füße unter. “Fang bei Adam und Eva an. Ich möchte alles wissen. Fang am besten mit deiner Geburt an. Wie viel hast du gewogen?”
Solange sie redeten, brauchten sie sich nicht mit so heiklen Dingen zu befassen wie der Frage, wo sie schlafen sollte. Oder eher, wo sie so tun sollte, als ob sie schlief. Sie konnte sich nicht vorstellen, überhaupt schlafen zu können, wenn sie auch nur daran dachte, dass Luke im Nebenzimmer im Bett lag.
“Du machst Witze, oder?” Sie schüttelte den Kopf, und er lachte.
“Vier Kilo und vierhundert Gramm. Meine Mutter war gerade mal ein Meter fünfundfünfzig. Sie erzählte mir immer, ich sei bei der Geburt fast so groß gewesen wie sie.” Er hielt einen Moment inne und schaute zu den Bildern an der Wand hinüber. “Meine Mutter war ausgesprochen gebrechlich”, fuhr er leise fort. “Man sieht es nicht so auf den Bildern, weil sie so glücklich mit Isidro war. Aber an dem Tag, an dem er starb, gab sie sich innerlich auf. Für Ellen, meine Schwester, tat sie noch so, als würde sie weiterleben und sich gegen ihre angeschlagene Gesundheit wehren, aber dieser Kampf war bereits verloren. Versteh mich nicht falsch”, fügte er hinzu. “Ich habe sie geliebt. Sie war … einfach nicht besonders stark. Sie war nie stark.”
Syd nippte an ihrem Tee und wartete, dass er weiterredete.
“1966 war kein gutes Jahr für sie”, sagte er. “Sie stand vor der Wahl, entweder Shaun O’Donlon zu heiraten oder ein uneheliches Kind zu bekommen. Sie lebte in San Francisco, hatte das freie Hippieleben aber nicht verinnerlicht. Zumindest nicht 1966. Also wurde eine Mussehe mit Shaun O’Donlon daraus, und mir wurde die zweifelhafte Ehre zuteil, als eheliches Kind geboren zu werden. Und …” Er stockte und wandte sich ihr zu. “Bist du wirklich sicher, dass du das alles hören willst?”
“Es interessiert mich”, gab sie zurück. “Wenn man zuhört, wie jemand über seine Kindheit spricht, erfährt man wirklich eine Menge über ihn.”
“Wenn das so ist: Wo bist du aufgewachsen?”, fragte er.
“In New Rochelle, New York. Mein Vater ist Arzt, meine Mutter war Krankenschwester. Sie hat ihren Beruf aufgegeben, weil sie sich Kinder wünschten. Vier Kinder, ich bin die Jüngste. Meine Brüder und meine Schwester sind allesamt unglaublich wohlhabend, unglaublich erfolgreich, haben die perfekten Ehepartner, sind perfekt gekleidet, perfekt
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