Lucky - Nur eine Frage der Zeit
gebräunt, schenken meinen Eltern zum perfekten Zeitpunkt perfekte Enkelkinder.” Sie lächelte ihn an. “Wie du siehst, bin ich aus der Art geschlagen. Man spricht meistens hinter vorgehaltener Hand von mir. Ich bin das schwarze Schaf der Familie. Geschieht ihnen recht. Warum haben sie mir auch einen Jungennamen gegeben?”
Luke lachte. Sie mochte es, wenn es ihr gelang, ihn zum Lachen zu bringen. Die feinen Linien um seine Augen wurden dann zu unwiderstehlichen Lachfältchen. Und sein Mund …
Sie senkte den Blick auf ihren Tee, um nicht auf seinen Mund zu starren.
“In Wirklichkeit”, gab sie zu, “ist meine Familie sehr nett. Sie sind alle sehr nett, wenn auch ein bisschen unbedarft. Sie sind schon in Ordnung und befürworten meine Abweichung von der Norm. Meine Mutter versucht allerdings immer wieder, mir Laura-Ashley-Kleider zu kaufen. Unweigerlich jedes Mal zu Weihnachten. ‘Oh, danke, Mom. In Rosa? Oh, das hättest du nicht tun sollen. Nein, wirklich, das wäre ganz und gar nicht nötig gewesen.’ Trotzdem passiert im nächsten Jahr wieder genau das Gleiche.”
Syd riskierte einen kurzen Seitenblick zu Luke. Er lachte immer noch.
“Du bist wieder dran! Dein Vater war also ein Penner. Ich glaube, ich weiß, wie es vermutlich weitergeht. Er verließ euch, bevor du zwei Jahre alt warst.”
“Schön wär’s gewesen”, seufzte Luke. “Aber Shaun blieb, bis ich acht war. Er saugte meine Mutter regelrecht aus, emotional wie finanziell. Aber in dem Jahr, in dem ich acht wurde, erbte er ein kleines Vermögen von Großonkel Barnaby und setzte sich nach Tibet ab. Meine Mutter reichte die Scheidung ein und bekam dabei sogar eine hübsche Summe zugesprochen. Sie kaufte ein Haus in San Diego, und als die Hypothek bezahlt war, nahm sie eine Vollzeitstelle in einem Flüchtlingszentrum an. Das war zu einer Zeit, als die Leute in Scharen aus Mittelamerika flohen. Dort begegnete sie Isidro – im Flüchtlingszentrum. Wir hatten über unserer Garage hinterm Haus noch eine Einliegerwohnung. Er war einer von etwa sechs Männern, die vorübergehend dort wohnten. Ich erinnere mich, dass ich mich ein wenig vor ihnen fürchtete. Sie wirkten auf mich wie Gespenster, die ziellos umherschwebten, als stünden sie unter Schock. Heute ist mir klar, dass dem wohl wirklich so war. Sie konnten fliehen, aber ihre Angehörigen waren alle umgebracht worden, teilweise vor ihren Augen. Isidro erzählte mir später einmal, dass er unterwegs war, um auf dem Schwarzmarkt Benzin zu besorgen. Als er nach Hause zurückkam, war die ganze Stadt niedergebrannt worden, und alle Einwohner – Männer, Frauen, Kinder, ja sogar Kleinkinder – hatte man einfach abgeschlachtet. Er sagte mir, er habe noch Glück gehabt, weil er die Leichen seiner Frau und seiner Kinder identifizieren konnte. Viele andere hätten nie erfahren, ob ihre Familien, ihre Kinder womöglich noch lebten.”
Er wirkte ein wenig entrückt, seine Augen schauten blicklos in die Ferne. Aber dann fiel ein Tropfen Kondenswasser von seinem Glas auf sein Bein. Er schaute darauf hinab, hob dann den Blick zu Syd und lächelte. “Weißt du, es ist schon fast eine Ewigkeit her, dass ich das letzte Mal über Isidro gesprochen habe. Ellen hörte gern zu, wenn ich von ihm erzählte, aber ich habe ihr längst nicht alles gesagt. Der Mann hatte ein eigenes Leben in Mittelamerika, bevor er meine Mutter traf. Er heiratete sie, meine Mutter, meine ich, um nicht abgeschoben zu werden. Wenn man ihn in sein Land zurückgeschickt hätte, wäre er dort ermordet worden. Meine Mutter beorderte uns beide – mich und Isidro – in die Küche und eröffnete uns, sie werde ihn heiraten.” Luke lachte beim Gedanken daran. “Er war strikt dagegen. Er wusste, dass sie schon einmal verheiratet gewesen war, und sagte, sie hätte schon beim ersten Mal aus den falschen Gründen geheiratet. Er werde nicht zulassen, dass sie diesen Fehler wiederholte. Und sie sagte ihm, sie hätte den besten denkbaren Grund überhaupt, ihn zu heiraten, nämlich sein Leben zu retten. Ich glaube, sie hatte sich schon damals in ihn verliebt. Jedenfalls gelang es ihr, ihn zu überzeugen, sie heirateten, und er zog aus der Einliegerwohnung über der Garage zu uns ins Haus.”
Seine Mutter war verdammt klug gewesen. Sie hatte gewusst, was sie wollte, und ihr Ziel hartnäckig verfolgt. Sie wusste: Wenn Isidro ins Haus zog, würde er über kurz oder lang in ihrem Bett landen. Und sie hatte recht behalten.
Schon seltsam, wie sich
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