Lucky - Nur eine Frage der Zeit
Das war in einer Bar namens Shaky Stan’s gewesen. Er hatte sie auch im Mousehole geküsst, im Ginger und im Shark’s Run Grill. Im Grunde hatten sie sich kreuz und quer durch sämtliche Bars in Strandnähe von San Felipe geküsst.
Syd hatte sich bemüht, es jeweils kurz zu machen. Sie hatte verzweifelt darum gekämpft, nicht in seinen Armen zu zerfließen. Viel zu oft hatte sie den Kampf verloren.
Wenn sie nach dieser heißen Kussorgie wirklich zusammengezogen wären, dann wären sie beide keine fünf Sekunden nach dem Abschließen der Tür splitternackt gewesen.
Da ihr das nur zu bewusst war, redete Syd – nach wie vor vollständig bekleidet – pausenlos weiter und entwarf ein “Stell dir vor, du wärst …” nach dem anderen. Spezifische Fragen über ihre Operationen durfte sie den SEALs nicht stellen, hypothetische Szenarien entwerfen hingegen schon. Und das tat sie, sooft es nur eben ging.
“Was befindet sich in dieser hypothetischen Festung?”, fragte er und warf seine Schlüssel auf einen kleinen Tisch neben der Haustür. “Geht es um einen Rettungseinsatz oder darum, an Informationen heranzukommen?”
“Rettungseinsatz”, entschied sie. “Geiseln. Es sind Geiseln in der Festung. Kinder.”
Er warf ihr einen belustigt-ungläubigen Blick zu, ging hinüber zum Thermostaten der Klimaanlage und regelte die Temperatur etwas herunter. Das war gut. Es war zu still hier drin, zu warm. Die Klimaanlage würde die Luft in Bewegung bringen, sie etwas weniger stickig wirken lassen, etwas weniger … schwül.
“Warum machst du es nicht noch ein bisschen schwieriger, hmm?”, fragte er.
Er ging in die Küche, und sie folgte ihm. “Ich versuche nur, mir eine echte Herausforderung einfallen zu lassen.”
“Okay, großartig.” Er öffnete den Kühlschrank und musterte finster die überfüllten Fächer. “Wenn wir losgeschickt wurden, um Kinder aus der Hand von Geiselnehmern zu befreien, dann haben wir auch den eindeutigen Befehl bekommen, auf keinen Fall zu versagen.” Er schob einen Milchkarton beiseite und zog einen Behälter aus dem Kühlschrank, der vermutlich Eistee enthielt. “Möchtest du?”
Syd nickte und lehnte sich gegen den Türrahmen. “Ja, gern. Danke.”
Sie sah ihm zu, wie er zwei Gläser aus dem Küchenschrank nahm und Eiswürfel hineingab.
“Also”, sagte sie. Sie musste einfach das Schweigen überbrücken. “Was tut ihr in dieser Situation?”
Er drehte sich um und schaute sie an. “Wir versagen nicht.”
Sie musste lachen. “Geht es auch noch ein bisschen genauer?”
“Ich bin drin, richtig?”, fragte er und goss Tee über die Eiswürfel. “Allein. Aber ich habe Funkkontakt mit meinen Männern draußen. Ich schätze, ich schleiche mich durch die Gebäude und suche nach den am leichtesten verwundbaren Punkten des Feindes. Und dann lasse ich meine Gruppe wissen, wann und wo sie angreifen soll. Dann suche und schütze ich die Geiseln und warte, dass meine Gruppe kommt und uns alle raushaut.” Er gab ihr ein Glas. “Zitrone? Zucker?”
“Nein, danke”, antwortete sie.
Himmel, was für eine bizarre Situation! Der Mann, der da am Tresen seiner Küche lehnte, hatte einen Großteil des Abends damit verbracht, das Innere ihres Mundes mit seiner Zunge zu erforschen. Und jetzt tranken sie ein erfrischendes Glas Eistee miteinander und plauderten zwanglos und unpersönlich über militärische Strategien.
Sie fragte sich, ob er wohl wusste, wie sehr sie sich danach sehnte, wieder von ihm geküsst zu werden. Und zwar wirklich und ehrlich. Innerlich verdrehte sie die Augen. Das war völlig illusorisch.
Syd fand es höchst erstaunlich, wie sich das Ganze entwickelt hatte. Erst vor wenigen Tagen hatte Luke sie zum ersten Mal geküsst. Nur ein paar Meter von hier, auf der Veranda vor seiner Küche. Sie hatten einander kaum gekannt, und er hatte eine falsche Entscheidung getroffen. Statt sich um ihre Freundschaft zu bemühen, versuchte er, sie mithilfe seiner machtvollen sexuellen Anziehungskraft zu kontrollieren. Er hatte ja keine Ahnung, dass er sich damit fast alle Chancen verbaute, jemals ihr Freund zu werden.
Fast alle, aber doch nicht alle.
Irgendwo, irgendwie hatte Luke es in den letzten Tagen geschafft, sich zu rehabilitieren.
Jetzt standen sie hier als Freunde. Und Syd wollte von ihm geküsst werden.
Aber er hatte jetzt, wo sie Freunde waren, keinen Grund mehr, sie zu küssen.
“Also”, sagte sie, verzweifelt bemüht, das Schweigen zu übertönen, “erzähl mir
Weitere Kostenlose Bücher