Lucky - Nur eine Frage der Zeit
Nachricht sein!
Wieder klingelte das Telefon, und sie nahm ab. “Hallo?”
“Syd.” Eine unbekannte, männliche Stimme. Leise.
“Entschuldigung, wer ist da?”, fragte sie schroff.
“Ist Lucky zu Hause?”
Die Härchen in ihrem Nacken stellten sich auf. Großer Gott, wenn es nun doch der Vergewaltiger war? Ein Kontrollanruf, um sich zu vergewissern, dass sie allein war?
“Nein, tut mir leid.” Sie zwang ihre Stimme zur Ruhe. “Er hilft heute Nacht bei der Ausbildung. Wer ist denn da?”
“Ich bin’s, Wes.”
Chief Wes Skelly. Diese Information trug allerdings nicht zu ihrem Wohlbefinden bei. Im Gegenteil: Ihre Anspannung erhöhte sich noch. Wes, der genauso roch wie der Mann, der sie nach dem Überfall auf Gina auf der Treppe fast umgerannt hatte. Wes, der dieselbe Haarfarbe, denselben Haarschnitt, denselben Körperbau und dieselbe akzentfreie Aussprache hatte. Wes, der nach Bobbys Worten in diesem Jahr ziemlich gebeutelt worden war.
Wie sehr genau?
Genügend, um durchzudrehen? Genügend, um zu einem durchgeknallten Mörder zu werden?
“Bist du in Sicherheit, so ganz allein?”, fragte Wes. Er klang seltsam. Wahrscheinlich hatte er getrunken.
“Ich weiß nicht”, gab sie zurück. “Was meinst du?”
“Nein”, sagte er. “Du bist nicht sicher in Luckys Haus. Warum quartierst du dich nicht mit Ronnie und Melody und den anderen im sicheren Haus ein?”
“Ich schätze, du weißt, warum ich das nicht tue.” Syd schlug das Herz bis zum Hals. Sie wusste, dass Luke nicht glaubte, Wes könne der Angreifer sein, aber die beiden waren seit Jahren kameradschaftlich verbunden. Sie konnte Wes wesentlich objektiver betrachten, und – ganz ehrlich – der Mann war ihr unheimlich mit seiner Stacheldrahttätowierung und seinem militärisch kurzen Haarschnitt. Jedes Mal wenn sie ihm begegnete, brütete er schweigend vor sich hin, beobachtete nur, lächelte kaum einmal.
“Was?”, fragte er. “Du willst mit diesem Jungen allein sein?” Er lachte. “Alles klar. Eine Frau, die glaubt, Lucky O’Donlon in irgendeiner Weise an sich binden zu können, hat nicht alle Tassen im Schrank.”
“Hey!”, gab sie empört zurück. “Das ist nicht nett.”
Er hängte auf, und sie fluchte. Sie hatte doch cool bleiben, ihn reden lassen und ihm ein Geständnis entlocken wollen.
“Luke, das war Wes”, sagte sie für die Lauscher draußen und legte das Telefon zurück in die Ladestation. “Er wollte wissen, wo du steckst, und er klang sehr seltsam.”
Schweigen.
Das ganze Haus war totenstill.
Das Telefon klingelte nicht wieder, nichts bewegte sich, kein Geräusch war zu hören.
Wenn dies ein Film wäre, dachte Syd, dann würde die Kamera jetzt eine Außenaufnahme zeigen. Von den Plätzen, an denen Luke, Bobby und die anderen sich versteckt hielten. Die Kamera würde bewusstlose Gesichter zeigen, und die Stricke, mit denen die Männer gefesselt waren. Die sie daran hindern würden, ihr zu Hilfe zu eilen, wenn sie sie brauchte.
Und sie würde sie brauchen.
Dann käme wieder ein Szenenwechsel. Die Kamera würde eine Silhouette in der Dunkelheit zeigen. Die Silhouette eines muskelbepackten Mannes mit Wes Skellys kurzem Haarschnitt und seinen breiten Schultern, die über den Hof schlich und sich dem Haus näherte.
Üble Vorstellung, ganz üble Vorstellung. Syd schüttelte den Kopf und räusperte sich. “Ähm, Luke, mir ist ein bisschen unheimlich. Rufst du mich bitte an?”
Stille.
Das Telefon klingelte nicht. Sie starrte es an, aber es klingelte einfach nicht.
“Luke, es tut mir leid, aber ich meine es ernst”, sagte Syd. “Ich muss einfach wissen, dass du da draußen bist und …”
Da hörte sie es. Ein scharrendes Geräusch hinterm Haus.
Fliehen.
Der Drang wegzulaufen war übermächtig, und sie eilte ins Wohnzimmer. Aber die Vordertür war verschlossen – zu ihrer eigenen Sicherheit –, und sie hatte keinen Schlüssel. In der Nacht zuvor hatte die verschlossene Tür ihr das Gefühl von Sicherheit vermittelt. Jetzt nicht. Sie war gefangen.
“Ich höre draußen ein Geräusch, Jungs”, sagte sie und betete, dass sie sich irrte, dass Luke immer noch zuhörte. “Hinterm Haus. Bitte, hört zu.”
Die Vorderfenster ließen sich nicht öffnen, und das Glas wirkte unglaublich dick. Wie hatte Lucy es nur geschafft, durch die Scheibe zu springen?
Wieder hörte sie das Geräusch, diesmal näher an der Hintertür. “Da draußen ist wirklich jemand!”
Kämpfen.
Sie drehte sich einmal um die
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