Lucy - Besuch aus fernen Welten (Band 1) (German Edition)
aufeinander einredeten, sah Lucy plötzlich alles wieder klar vor sich. Es traf sie wie ein Schock. Für einen Moment war der Kopfschmerz wieder da, unerträglich stark. Die Stimmen verschwanden im Rauschen eines Wasserfalls. Das Gesicht der Frau wurde von einem Schleier verhüllt.
Dann war der Moment vorbei. Lucy sah die letzte Szene vor sich, sah das viele Blut an Christophs Arm, sah, wie Lars an ihr vorbei geschleudert wurde und an die Wand krachte, sah, wie Kim leblos wie eine Puppe über sie hinweg flog und brutal, mit dem Helm zuerst, auf den Boden aufschlug.
Um Gotteswillen, sie hatten scharf geschossen! Ihre Freunde waren tot, mussten tot sein! Warum lebte sie noch? Warum war sie hier? Jetzt nicht heulen, jetzt bloß nicht heulen! Die wollen dich klein kriegen. Lass dir keine Schwäche anmerken.
Sie wollte sich aufrichten. Es ging nicht. Sie war mit Armen und Beinen am Bett fixiert.
»Sie kommt zu sich.« Es war eine männliche Stimme.
»Nun warten Sie doch. Ich muss sie erst einmal stabilisiert haben.« Das musste die Stimme der Ärztin gewesen sein. Lucy hatte sich entschieden, dass die Frau in Weiß eine Ärztin war.
»Sie wissen, dass dies eine Angelegenheit von größter Wichtigkeit ist.« Das war wieder die männliche Stimme.
»Trotzdem muss es Zeit haben, bis meine Patientin wieder soweit stabilisiert ist, dass sie ansprechbar ist. Keine Angst, sie werden noch genug Gelegenheit für ihre Befragung bekommen.« Die Ärztin klang resolut.
»Was für eine Befragung«, dachte Lucy. »Die sollen mich doch bloß in Ruhe lassen. Ich möchte allein sein. Ich möchte schlafen.«
»So Mädchen, jetzt trinkst du das mal, dann geht es dir gleich wieder besser!« Lucys Kopf wurde angehoben. Sie bekam ein Glas an die Lippen. Eine Flüssigkeit lief ihr in den Mund. Entweder sie war geschmacklos oder – was wahrscheinlicher war – ihre Geschmacksnerven funktionierten noch nicht. Lucy merkte plötzlich, wie durstig sie war. Hoffentlich war es kein Gift oder Wahrheitsserum oder so etwas. Aber sie musste jetzt etwas trinken. Gierig trank sie das ganze Glas aus. Sie hatte einen Nachgeschmack im Mund, der sie an diesen undefinierbar nach verschiedensten Früchten gleichzeitig schmeckenden Multivitaminsaft erinnerte, den ihre Mutter zuhause immer kaufte, weil er doch so gesund war.
Wieso dachte sie jetzt an zuhause? Sie hatte da immer wegwollen. Warum sehnte sie sich jetzt mit aller Kraft dahin zurück? »Konzentrier dich auf die Situation hier, Lucy«, dachte sie tapfer, aber das war alles andere als einfach.
»Und Sie sind sich wirklich sicher, dass sie von diesem gottverdammten Planeten dort unten stammt und nicht von einem der Kolonien?«, hörte sie die männliche Stimme sagen.
»Halten Sie mich wirklich für derart inkompetent, dass ich die DNA einer Terranerin nicht von der eines Mitglieds des Imperiums unterscheiden kann?«, erwiderte die Ärztin arrogant.
»Also ist sie nun endlich soweit?«, fragte die männliche Stimme barsch anstatt einer Antwort. Wie Lucy feststellte, gehörte sie einem Imperianer. Ihre Mutter hätte ihn wohl als sehr attraktiven Mann beschrieben. Zumindest erinnerte er Lucy an einen dieser amerikanischen Schauspieler, von denen ihre Mutter immer so schwärmte. Sie selbst fand ihn – genauso wie diesen Schauspieler – einfach zu alt. Sie hatte sich nie für ältere Männer interessiert und konnte auch Mädchen nicht verstehen, die mit viel älteren Jungs gingen. Gut, bisher hatte sich auch nie ein älterer Junge für sie interessiert. Selbst ihre Onkel und die Freunde ihrer Eltern hatten auf Feiern lieber mit ihren hübsch zurechtgemachten, immer freundlich lächelnden Cousinen geredet und gewitzelt. Lucy hatte noch nie etwas mit diesen langweiligen älteren Herren anfangen können und sich eher vor solchen Feiern gedrückt.
»Zwei Treffer!«, ereiferte sich die Ärztin. »Hätte einer nicht auch gereicht?«
»Sie waren nicht da unten! Sie haben das nicht mitbekommen! Erzählen Sie mir nicht, wie ich meine Arbeit zu machen habe!«, schnauzte der Mann.
»Sehen Sie lieber zu, dass Sie die Gefangene vernehmungsfähig bekommen!«, fügte er im Befehlston hinzu.
»Sie können sie jetzt haben. Aber nicht zu lange! Sie ist noch schwach«, blaffte die Ärztin zurück. Es fiel auf, dass sie den Mann viel unfreundlicher ansah, als sie Lucy angesehen hatte.
»Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass es sich bei der Gefangenen nach Aussage der Ärzte um eine Minderjährige
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