Lucy - Besuch aus fernen Welten (Band 1) (German Edition)
handelt und dass Minderjährige nach dem Abkommen von Verk 13 206 unter besonderem Schutz stehen.«
Lucy drehte den Kopf, um zu sehen, wer da gesprochen hatte. Es tat noch immer etwas weh im Nacken. Außerdem war es schwierig den Kopf soweit zu drehen, weil sie den Körper wegen der Fesseln kaum bewegen konnte.
Etwas von ihrem Bett entfernt stand eine weitere Frau, der die Stimme gehörte. Sie war ganz offensichtlich eine Luzanerin. Sie war etwa im gleichen Alter wie die Ärztin, aber ein wenig kleiner und schmächtiger. Aus irgendeinem Grund fand Lucy es tröstlich, dass nicht alle Personen, die sich in diesem Raum befanden, so perfekt aussahen. Diese Frau hätte sie auch auf der Erde als graue Maus bezeichnet, die wahrscheinlich den meisten Menschen gar nicht aufgefallen wäre. Genauso grau war auch ihre Stimme. Sie hatte ihr Anliegen fast emotionslos vorgetragen, nur ein Hauch von Unsicherheit war in ihrer Stimme. Den Grund für diese Unsicherheit sollte Lucy im nächsten Moment erfahren.
»Minderjährig? Besonderer Schutz?«, donnerte der Mann und schrie dabei die kleine Luzanerin an. »Haben Sie gesehen, wie es da unten aussieht? Die halbe Station liegt in Schutt und Asche. Die Zentralanlage mit allen Daten und der ganzen Steuerung ist irreparabel zerstört.«
Er war im Gesicht ganz rot angelaufen. Eine Zornesader trat blau auf seiner Stirn hervor. Wild gestikulierte er mit den Armen. Seine tiefe Stimme dröhnte durch den Raum, wobei er sich vor Zorn verhaspelte:
»Diese .. diese Kreatur und ihre Terrorbande haben sechs meiner Leute verletzt. Zwei davon so schwer, dass es an ein Wunder grenzt, dass hier keine Mörderin vor uns liegt.«
Er atmete tief durch und sprach dann in einem ruhigeren Ton weiter, der aber so schneidend war, dass er noch bedrohlicher als das Geschrei klang.
»Das war ein kriegerischer Angriff. Ich berufe mich auf das Kriegsrecht. In dem gibt es keinen besonderen Schutz für minderjährige Angreifer.«
Er sah der kleinen Luzanerin in die Augen.
»Ist das klar?«, brüllte er sie im nächsten Moment an.
Lucy sah wie die kleine Frau, die scheinbar so etwas wie ihre Anwältin war, zusammenzuckte, wie ihre Augen unsicher flackerten und sie dann den Blick senkte. Es war klar, wer hier der Chef war. Den Beistand würde sie vergessen können.
»So, wenn das geklärt ist, dann können wir ja beginnen«, sagte er dann etwas ruhiger und beugte sich über Lucys Bett. Er stützte seine großen Hände direkt neben ihren Schultern auf dem Bett ab und beugte seinen Kopf direkt über ihren. Lucy hatte es noch nie gemocht, wenn Menschen ihr zu nahe kamen, schon gar nicht fremde und noch weniger Leute, die sie nicht mochte. Und dieses Ekelpaket mochte sie ganz und gar nicht. Es war grausam, sie war festgebunden und konnte sich nicht bewegen. Sie drehte den Kopf zur Seite. Es war die einzige Bewegung, die ihre Situation zuließ. Plötzlich wurde ihr grausam bewusst, dass sie keine Kleidung trug und nur mit dieser dünnen Decke bedeckt war. Sie hatte sich in ihrem ganzen Leben noch nicht so nackt und ausgeliefert gefühlt.
»Wer hat euch geschickt?«
Seine Stimme klang bedrohlich. Was sollte sie tun? Was durfte sie verraten? Was nicht? Sie sah zur Seite, an die graue Wand mit den unregelmäßigen Ornamenten. »Einfach gar nicht antworten«, dachte sie. Eigentlich hatte sie das schon immer so gemacht. Wenn die Eltern sie angebrüllt hatten oder ein Lehrer. Sie hatte einfach geschwiegen, bis die Lehrer oder die Eltern aufgegeben hatten.
»Wie seid ihr in die Station gekommen?«
Die Stimme wurde zunehmend lauter und klang immer bedrohlicher.
»Sieh mich an!«, brüllte er. Er packte Lucy fest am Kinn und drehte ihren Kopf so weit, dass sie ihn ansehen musste.
»Wo ist euer Hauptquartier?«
Er schrie diese Frage so laut, dass Lucy die Ohren wehtaten. Sie roch seinen Atem, spürte den feinen Sprühregen von Speichel in ihrem Gesicht. Es war ekelig. Lucy schloss die Augen.
»Sieh mich an!«, brüllte er nochmals. Dabei drückte er ihr Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger. Lucy öffnete vor Schmerz die Augen. Sie sah in sein zorngerötetes Gesicht, auf dessen Stirn die Ader pulsierte. Die Augen sahen sie derart hasserfüllt an, dass ihr Herz vor Angst zu hämmern begann.
»Mir reicht es jetzt. Ich will jetzt sofort wissen, wer euch geschickt hat und wo euer Hauptquartier ist!« Seine Stimme war plötzlich ganz leise geworden. Es war mehr ein Zischen. Aber das machte die Situation nicht weniger
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