Lucy in the Sky
dich gefälligst um deine eigenen Angelegenheiten.«
»Jetzt ärgert er sich«, lacht Sam und zerzaust Nathan die Haare.
»Lass mich!« Nathan schubst seinen Bruder weg, holt sich noch ein Bier aus dem Kühlschrank und geht zurück ins Wohnzimmer.
»Vermutlich heißt das, dass er bleibt«, meint Molly.
Als ich ins Wohnzimmer komme, steht Nathan an der Anlage und geht Mollys und Sams CDs durch.
»Spielst du immer noch Gitarre?«, frage ich.
»Ja. Verrückt, dass du dich daran erinnerst.«
»Wie könnte ich das vergessen? Du hast doch damals nichts anderes getan, als dich in deinem Zimmer zu verkriechen und auf deiner Gitarre rumzuklimpern. Aber du warst ziemlich gut.«
»Danke sehr.« Er grinst mich an.
»Was legst du auf?«, fragt Molly, die gerade hereinkommt.
»Wie wär’s mit Kylie?«
»Nein, das geht gar nicht.« Nathan verdreht dramatisch die
Augen. »Was möchtest du hören, Lucy?«
»Ich weiß nicht, ob ich mich traue … «
»Leg los. Wir haben hier The Killers, The Dandy Warhols, Jet, Beck … «
»Keine Mariah Carey?«, frage ich, und er sieht mich erschrocken an. Ich muss lachen. »Das war ein Witz, du Blödmann.
Lass uns The Killers hören.«
Molly und Sam setzen sich nebeneinander aufs Sofa, Nathan und ich nehmen jeweils einen Sessel. Ich streife die Schuhe ab und mache es mir gemütlich.
Die Pizza hat ganze Arbeit geleistet und den Alkohol gut aufgesogen. Ich fühle mich angenehm beschwipst – nichts im Vergleich mit dem Zustand nach den Singapore Slings auf dem grässlichen Flug hierher. So schnell ich kann, verdränge ich die Erinnerung und konzentriere mich auf die Gegenwart. Was mir bei meinem Gegenüber nicht schwerfällt.
»Also Lucy«, beginnt Sam. »Ist mit James eigentlich inzwischen wieder alles geklärt?« Es geht doch nichts über die Erwähnung meines wundervollen Freunds, um mich zur Vernunft zu bringen. Nathan sieht mich fragend an, sagt aber nichts.
»Hmm, ehrlich gesagt bin ich mir da nicht ganz sicher.«
Molly wendet sich an Nathan. »Lucy hatte einen ziemlich anstrengenden Flug«, erklärt sie und fragt mich dann: »Stört es dich, wenn ich Nathan davon erzähle, Lucy?« Ich schüttle den Kopf, und während sie eine Kurzfassung der Geschichte zum Besten gibt, überkommt mich erneut dieses nervöse Gefühl, wenn inzwischen auch etwas gedämpfter. Als sie zu der Stelle mit den Flugbegleiterinnen kommt, versuche ich zu lachen, aber Nathan hört einfach nur zu. Seine ruhige Aufmerksamkeit bringt mich ganz aus der Fassung.
»Und nach dieser fröhlichen Geschichte gehe ich jetzt ins Bett«, verkündet Sam.
»Jetzt können wir doch nicht ins Bett, Sam! Lucy findet garantiert keinen Schlaf, solange ihr das ganze Zeug im Kopf herumgeht«, protestiert Molly.
»Ach, das ist doch albern, mir geht’s gut!«, entgegne ich.
Nathan lächelt. »Ich weiß ja nicht, wie du darüber denkst,
Lucy, aber ich brauch noch was zu trinken.«
So kommt es, dass Sam und Molly sich nach oben verziehen, während Nathan und ich noch sitzen bleiben. Ich leere mein Weinglas und stelle es auf den Couchtisch.
»Gut, was trinken wir jetzt?« Nathan springt auf und eilt in die Küche. Eine Sekunde später ruft er leise: »Hui! Komm mal her!« Ich folge ihm und finde ihn am Kühlschrank. Wein, Bier, Limo. »Bier langweilt mich«, stellt er fest und schlägt auf die Kühlschranktür. »Wollen wir den Wodka aufmachen?«
Ich stöhne. »Schlechte Idee.«
»Warum, was hast du morgen denn vor?«
Ich sehe einen weiteren Tag auf der Sonnenliege vor mir. Ach, was soll’s. Unterdessen hat Nathan schon zwei Gläser geholt. Sie klirren laut gegeneinander. »Psst«, mache ich. Als wären wir zwei Teenager, die sich heimlich am Alkoholvorrat ihrer Eltern bedienen.
Wir tragen die Gläser, eine Packung Cranberrysaft und die Flasche Wodka ins nächste Zimmer und machen es uns wieder in unseren Sesseln gemütlich.
»Warum ist dein Freund eigentlich nicht mitgekommen?«, fragt Nathan, und ich erzähle ihm kurz von James’ Beförderung. Unwillkürlich vergleiche ich die beiden: Anwalt, Surfer. Zwei Jahre älter, zwei Jahre jünger. Job, kein Job. London, Sydney.
Schnell merke ich, dass mir das Spiel nicht sonderlich gefällt.
»Wie ist es denn, wieder hier zu sein? Fühlt es sich noch an wie zu Hause?«
Ich antworte mit einem Ja, aber plötzlich bin ich total deprimiert. In zehn Tagen fliege ich schon wieder zurück!
»Es kommt mir gar nicht vor, als wären tatsächlich schon neun Jahre vergangen,
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