Lucy in the Sky
Familie im Urlaub in Spanien. Am ersten Tag erzählte er meinen Stiefbrüdern Tom und Nick – damals achtzehn und fünfzehn – am Pool, dass er sich unbedingt Big Feet kaufen wollte.
»Was sind denn Big Feet?«, erkundigten wir uns alle neugierig, und James beschrieb sie uns ausführlich: Aufblasbare Riesenschuhe, geformt wie große Füße, auf denen man buchstäblich übers Wasser gehen konnte. Angeblich hatte er sie in Südfrankreich im vorigen Sommer ausprobiert, und es hatte ihm unglaublich Spaß gemacht.
An diesem Abend weigerte sich Tom, der als Student nicht viel Geld hatte, ein drittes Glas Bier zu trinken, weil er das Geld für die Big Feet sparen wollte, die er sich am nächsten Tag gerne kaufen wollte. Den Rest der Ferien waren wir jeden Tag unterwegs, um Big Feet zu suchen. Wir schleppten meine Mum und Terry zu irgendwelchen Geschäften, von denen wir dachten, sie könnten die Schuhe auf Lager haben. Wir durchkämmten einen Strandladen nach dem anderen, wir forschten in Kaufhäusern und Sportgeschäften. In unserem gebrochenen Spanisch radebrechten wir etwas von »Los Big Feetos« und »Grandes Feetos«, erklärten in Zeichensprache, was wir meinten, und Nick tat so, als würde er mit großen, astronautenartigen Schritten übers Wasser gehen.
Der Umstand, dass wir die legendären Wasserschuhe nicht finden konnten und auch niemand anderes am Strand welche besaß, machte unseren Wunsch natürlich nur umso stärker. Voller Vorfreude stellten wir uns die Gesichter der anderen Strandbesucher vor, wenn wir über die Wellen auf den offenen Ozean hinauswandern würden.
Natürlich fanden wir die Big Feet nie.
Als Tom, der damals gerade sein Studium in London begonnen hatte, sechs Monate später zusammen mit James und mir in unserem Lieblingspub ein Bier trank, erzählte James ihm, er habe zu Hause die original Darth-Vader-Maske im Schrank, angeblich ein Geschenk von seinem Onkel, nachdem dieser ein kleines Vermögen im Lotto gewonnen hatte. Ich hatte vorher noch nie davon gehört, und Tom war ganz aufgeregt, als wir in die Wohnung zurückgingen. Dort öffnete James den Schrank und holte eine Schachtel mit einer dünnen Plastikmaske hervor, die ganz offensichtlich nichts mit Mr.Vader zu tun hatte, und Tom warf ihm vor, nur Mist zu erzählen. James bestand aber weiterhin mit vollkommen ernstem Gesicht auf seiner Geschichte, und Tom lachte nur noch über ihn.
Ein paar Monate danach fiel meinem Stiefbruder, der sich immer noch ein bisschen über die Zeitverschwendung mit den Big Feet ärgerte, plötzlich ein, dass James damals vielleicht auch schon ein Lügenmärchen erzählt haben könnte. Oder gab es sie wirklich?
»Nein«, antwortete James geradeheraus und gab unumwunden zu, dass er sie erfunden hatte.
Ich glaube, Tom und Nick haben ihm bis heute nicht ganz verziehen.
»Verrückt«, sagt Nathan kopfschüttelnd.
»Ja, aber so was ist doch nicht wirklich schlimm, oder? Ich meine, es sind ja nur irgendwelche erfundenen Geschichten.«
Er antwortet nicht.
»Weißt du, es ist eigentlich sogar ziemlich lustig, wenn man drüber nachdenkt«, beharre ich. »Da schleift er uns die Costa del Sol entlang auf der Suche nach diesen aufblasbaren Riesenschuhen und weiß dabei die ganze Zeit, dass sie überhaupt nicht existieren.« Ich lache laut. »Er hat zumindest Phantasie.«
»Ja, das ist wahr.«
»Nein, ich weiß schon, es ist sonderbar«, räume ich seufzend ein. »Ich versuche mir bloß dauernd einzureden, dass es total harmlos ist. Aber das heißt doch noch lange nicht, dass er mich hintergeht, oder?«
»Du glaubst also nicht, dass er dich betrogen hat?«
»Nein! Das würde er nicht tun, niemals! Er betrügt mich nicht. Keine Ahnung, warum ich … Ach, ich weiß es einfach nicht.«
Nathan beharrt nicht auf dem Thema, sondern schneidet ein einfacheres Thema an: Molly, Sam und ihre Hochzeit. Eine Ewigkeit sitzen wir auf der Veranda und plaudern, bis ich schließlich anfange zu gähnen.
»Wie spät ist es eigentlich?«, fragt er.
»Himmel, es ist vier Uhr!«
»In drei Stunden würde ich normalerweise surfen gehen.«
»In drei Stunden komme ich normalerweise von der Arbeit nach Hause.«
»Du musst doch todmüde sein! Hast du keine Probleme mit dem Jetlag?«
»Doch, eigentlich schon. Keinen Schimmer, wie ich es geschafft habe, so lange wach zu bleiben.«
Dabei weiß ich es ganz genau. Ich möchte nirgendwo anders sein. Wahrscheinlich ist der Wodka schuld, dass ich solchen Unsinn von mir gebe.
Aber
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