Lucy in the Sky
soll.
»Aber das ist doch Quatsch, er wollte nie etwas von mir!«
»Ich vermute, das hat sich geändert, als ihm klar wurde, dass er dich verloren hat.«
Ich kann es nicht glauben. Nach all diesen Jahren herzzerreißend schmerzlicher unerwiderter Liebe, hat er entdeckt, dass er das Gleiche für mich empfindet – nachdem ich weg war?
»Ist … er immer noch … « Ich bringe die Frage nicht über die Lippen.
»Nein, ich glaube nicht.« Auf ihrem Gesicht breitet sich Erleichterung aus.
»Gut«, sage ich. Und fühle, dass ich es auch ganz ehrlich so meine.
Molly beugt sich zu mir, schlingt den Arm um meinen Hals, und ich danke dem Himmel, dass am Ende doch alles gut geworden ist. Wenn ich dageblieben wäre, hätte unsere Freundschaft womöglich nicht überlebt.
»Ich freue mich wirklich, dass du hier bist. Es gibt niemanden, den ich morgen lieber bei mir hätte.« Ihre Stimme klingt erstickt.
»Ich hoffe, du tust das Gleiche für mich, wenn ich mal heirate«, stoße ich mühsam hervor, denn in ihrer Umarmung bekomme ich kaum noch Luft.
Falls ich jemals heirate.
Am nächsten Morgen bricht die Hölle los.
»Ich will auf den Zug! Ich will auf den Zug!«, brüllt Andie.
»In ein paar Stunden ist es so weit«, entgegnet Molly.
»Aber ich will jetzt!«
»Andie, du musst dich heute wirklich benehmen – für Molly!«, ermahnt Sheila sie mit fester Stimme. Aber Andie reißt ihrer Mutter die Bürste aus der Hand und schleudert sie quer durchs Zimmer. Knapp an einer Blumenvase vorbei.
»Hör mal, wenn du so weitermachst, kannst du es glatt vergessen, meine Brautjungfer zu sein!«, schreit Molly. »Dann nehme ich bloß Lucy mit. Ich brauch nämlich nur eine Brautjungfer, Sam hat schließlich auch nur seinen Bruder dabei.«
»Aber ich bin deine Schwester!«, heult Andie, und ihre Unterlippe fängt bedrohlich an zu zittern.
»Dann benimm dich gefälligst wie eine!«, kontert Molly.
»Nur die Ruhe«, beschwichtigt Sheila die beiden und hebt die Bürste auf.
»Soll ich dir die Haare machen?«, frage ich Andie freundlich.
»Ich könnte sie flechten … «
»Nein, Mum soll das machen!«, unterbricht mich die Kleine und zeigt auf Sheila. Molly und ich sehen uns an. Allmählich ist die kleine Schwester nicht mehr lustig. Da klingelt es an der Tür. Die Make-up-Stylistin ist da.
Als sie nach einer Dreiviertelstunde wieder geht, betrachtet Molly sich im Spiegel.
»Ich seh ja aus wie ein CLOWN !«, schreit sie plötzlich.
»Überhaupt nicht, Molly!«, versucht Sheila sie zu beruhigen.
»Doch! Ich wasch mir das ganze Zeug wieder ab!« Schon ist sie aus der Tür gestürzt und poltert die Treppe hinauf. Sheila wirft mir einen vielsagenden Blick zu, und ich laufe Molly sofort nach. Sie steht im Bad, den Tränen nahe. Aber sie hat recht: Die Stylistin hat wirklich übertrieben. Das Make-up ist zu dunkel, das Rouge zu grell, sogar der Eyeliner passt nicht zu Mollys Augen.
Ich habe mich schon immer gefragt, warum man sich ausgerechnet an einem so wichtigen Tag von einer Person zurechtmachen lassen soll, die einen gar nicht kennt. Ich hatte mich entschieden, mich selbst zu schminken – aus gutem Grund.
»Komm ich helfe dir«, biete ich Molly an. »Sollen wir erst mal alles abschminken und dann nochmal von vorn anfangen?«
Sie nickt bekümmert.
»Okay. Wo ist dein Make-up?«
Eine halbe Stunde später haben wir das Beste aus unseren beiden Schminktaschen herausgeholt, und jetzt sieht Molly wirklich aus wie eine wunderschöne junge Braut. Wir haben uns für einen cremefarbenen Lidschatten und dunkelbraune Mascara entschieden. Ein leichtes, apricotfarbenes Rouge und ein roséfarbener Lippenstift vervollständigen den Look. Nichts Clownartiges mehr.
Zum Glück hat die Hairstylistin richtig gute Arbeit geleistet, und Molly ist ganz begeistert, wie zahm ihre Haare sind. Das lange weiße Kleid, das sie selbst zu Hause in ihrer Werkstatt geschneidert hat, ist atemberaubend, und als ich ihr die Treppe hinunterhelfe, glitzern und funkeln die winzigen Strasssteinchen auf dem Oberteil in der Sonne wie Diamanten.
Auch Andie sieht in ihrem silbernen Kleid toll aus – es ist das gleiche wie meines, nur kleiner. Sie hat der Friseurin in letzter Sekunde sogar erlaubt, den Lockenstab zu benutzen. Meine Haare sind hochgesteckt, nur ein paar Locken fallen locker um Gesicht und Nacken. Für meinen Geschmack sieht es eine Spur zu ordentlich aus, aber die Friseurin hat glaubhaft versichert, dass sich die Frisur noch etwas
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