Lucy kriegt's gebacken
Möwen auf und beginnen schreiend über uns zu kreisen.
„Also, was würdest du gern machen?“, frage ich. „Wieder auf Reisen gehen und aus Flugzeugen springen und mit Kunden plaudern?“
Ethan lacht. „Nee. Das habe ich hinter mir.“ Er schweigt eine Minute und verteilt nun selbst Chips im Wasser. „Ich würde gern als Koch arbeiten“, sagt er so leise, dass ich ihn fast nicht verstehe.
„Wirklich?“
„Natürlich. Vergiss nicht, wo wir uns kennengelernt haben, Lucy.“
„Oh, das weiß ich sehr gut. Aber du hast das Studium hingeschmissen.“
Er nickt. „Ja, das habe ich.“
„Auf jeden Fall wäre das toll“, rufe ich aus. „Du solltest das Gianni‘s übernehmen. Dein Vater findet ja, dass der Bruder vom Mann dieser Cousine ein totaler Versager ist.“
Ethan wirft mir einen Blick zu. „Lieber der Bruder vom Mann einer Cousine als ich, Lucy.“
„Aber du bist ein fantastischer Koch! Du wärst einfach perfekt! Und es bliebe in der Familie …“
„Ich werde nie Jimmy sein“, unterbricht er mich. „Und das wäre alles, was meine Eltern sich wirklich wünschen.“
Ein unangenehmes Schweigen breitet sich aus. Unsere Chips sind verschwunden, den Möwen ist es wohl langweilig geworden, jedenfalls sind auch sie weg. Ethan packt den Kuchen aus. Er hält ihn mir hin, aber ich schüttle den Kopf und beobachte ihn dabei, wie er ein Stück isst. Er schließt einen Moment lang genießerisch die Augen, und ich lächle.
„Was ist mit dir?“, will Ethan wissen. „Gibt es schon etwas Neues von diesem Bioladen?“
„Noch nicht.“ Ich habe letzte Woche zweimal mit Matt De Salvo gesprochen, einigermaßen enttäuscht darüber, dass er kein persönliches Treffen vorschlug. So hätte ich überprüfen können, ob er Jimmy wirklich so ähnlich sieht, wie ich mir eingebildet habe. „Wir müssen noch eine Menge besprechen. Aber vermutlich werde ich das Angebot annehmen.“
„Ich dachte, du möchtest nicht mehr als Bäckerin arbeiten.“
„Stimmt. Aber das ist immer noch besser, als bankrottzugehen.“ Ich entdecke einen Senffleck auf meiner Jeans und beginne träge daran zu kratzen. „Außerdem würde ich mir damit einen Namen machen, weißt du? Die Johnson & Wales könnte in ihrem Ehemaligen-Magazin davon berichten, dass mein Brot landesweit verkauft wird. Und Matt meinte, dass danach vielleicht Connecticut und Massachusetts drankämen. Also“, ich sehe Ethan an. „Es ist ein gutes Angebot.“
Er nickt. „Der Kuchen schmeckt fantastisch. Du solltest ihn probieren.“
„Ich kann nicht …“, beginne ich, doch da hat er sich schon vorgebeugt und mir ein Stück in den Mund gesteckt. Der saftige, seidige Geschmack von dunkler Schokolade schmilzt auf meiner Zunge, die Haselnussglasur ist einfach perfekt gelungen. Es war eine gute Idee, geröstete … geröstete …
„Und?“, fragt Ethan, als er meinen Gesichtsausdruck bemerkt. „Lucy?“
„Schmeckt … schmeckt gut“, stottere ich. Ich kann tatsächlich schmecken . Ich schlucke. Ja, da ist ein Hauch von Kaffee und nur das ganz leise Murmeln von Zimt.
„Hier.“ Lächelnd schiebt er mir das letzte Stück in den Mund, und ich schließe konzentriert die Augen. Der Kuchen ist so was von gut . Ich kann nicht glauben, dass ich endlich, endlich, nach so langer Zeit, wieder schmecken kann. Etwas, das ich verloren habe, ist zurückgekehrt, etwas, das so lange ein wichtiger Bestandteil meines Lebens gewesen ist und das ich so sehr vermisst habe. Aber jetzt, heute … heute kann ich auf einmal wieder etwas schmecken, das ich selbst gebacken habe.
Ich habe Tränen in den Augen, als ich sie schließlich öffne. Ethans Lächeln erstirbt.
„Geht es dir nicht gut, Liebling?“ Und da schlinge ich die Arme um seinen Hals und küsse ihn, schmecke Schokolade und Ethan, spüre seine zarten, schönen Lippen, seine Hitze. Seine Arme umfangen mich, er legt eine Hand an meinen Hinterkopf. Und ich küsse ihn und küsse ihn und küsse ihn, während sein Herz an meinem schlägt.
Dann weiche ich etwas zurück, um ihm in die Augen sehen zu können. Er streicht mir eine Haarsträhne aus der Stirn.
„Ich möchte mit dir schlafen, Ethan“, flüstere ich. Und er steht auf und reicht mir die Hand.
Die Sonne fällt in Streifen durch die kleinen Fenster der Kajüte. Ethan zieht die Couch aus, dann richtet er sich wortlos auf. Ich setze mich, und er kniet sich vor mich. Mit zitternden Fingern knöpfe ich sein Hemd auf. Seine Haut ist wunderschön, olivfarben und
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