Lucy kriegt's gebacken
jüngere Männer. Wie niedlich.
„Hallo?“, frage ich. „Backt hier eigentlich jemand? Der Teig wird warm.“
Beide Tanten springen auf, Rose schnappt sich das Nudelholz und beginnt, den Teig zu attackieren.
„Was erweitern?“, fragt Iris mit ihrem typischen Bulldoggengesicht, das sie immer auflegt, wenn ich dieses Thema anspreche.
„Die Bäckerei. Es ist einfach idiotisch, dass wir keine Tische haben und keinen Kaffee ausschenken. Wir verlieren unsere ganzen Kunden an Starbucks.“
„Wir sind nicht irgend so ein siffiger Schickimicki-Laden“, erklärt Rose, und ich bin beeindruckt, dass sie das Wort „siffig“ kennt. „Wir sind eine Bäckerei. Wir verkaufen Backwaren und keinen überteuerten Kaffee, der schmeckt, als ob man ihn vom Boden der Kaffeekanne gekratzt hätte. Und ein Coffee Tall? Was soll Tall heißen? Was Grande? Die sprechen das nicht mal richtig aus. Graaaaaandeeeh. Also bitte. Können die nicht einfach klein, mittel, groß sagen?“
Ich hebe eine Augenbraue. „Du warst im Starbucks, Rose. Was für eine Überraschung.“
„Wie?“, zischt Iris. „Könntest du uns das bitte erklären?“
Rose blinzelt wie eine verängstigte Maus, eine Strategie, die bei ihr immer funktioniert. „Ich wollte eigentlich gar keinen Kaffee bestellten“, piepst sie mit ihrer Kleinmädchenstimme. „Aber diese Bezeichnungen sind so verwirrend! Ich dachte, ich hätte einen Kakao bestellt.“
„Wir haben Kakao zu Hause!“, donnert Iris los.
„Aber der ist nicht so gut wie bei Starbucks.“ Roses Gesicht ist von beinahe religiösem Eifer erleuchtet. Sie wendet sich an mich. „Ach Lucy, du musst den mal probieren! Er schmeckt einfach unglaublich. Die Sahne ist …“
„Du bist eine Verräterin, Rose Black Thompson!“, ruft Iris. „Mama würde sich im Grab umdrehen!“
In diesem Moment schwebt meine Mutter herein, dunkelblauer Bleistiftrock, grün und blau gemusterte Seidenbluse und flaschengrüne Prada-Pumps, die ich letzte Woche beinahe selbst gekauft hätte. „Man kann dich bis auf die Straße hören, Iris“, sagt sie.
„Deine Schwester war bei Starbucks!“, erklärt Iris in einem Ton, in dem sie auch „Deine Schwester hat einen Hundewelpen erwürgt“ hätte sagen können.
„Sei doch nicht so eine Tyrannin, Iris.“ Roses Gesicht hat sich rosa verfärbt. „Ich kann mir eine heiße Schokolade kaufen, wenn ich das will! Du bist nicht meine Chefin!“
„Okay, hört auf, ihr zwei, oder ich richte den Gartenschlauch auf euch“, sagt meine Mutter. „Lucy, gerade ist ein Kunde gekommen. Könntest du dich um ihn kümmern?“
Erleichtert haste ich aus der Backstube. Charley Spirito ist da, in voller Red-Sox-Montur - Jacke, Kappe, Trainingshose und dazu ein blaues Auge und ein betretener Gesichtsausdruck.
„Hey, Charley. Was kann ich für dich tun?“
In diesem Moment bimmelt die Glocke über der Tür, und Ethan kommt mit einer Isoliertüte herein. Mein Herz macht einen kleinen Sprung, was ich zu ignorieren versuche. Natürlich ist er nicht meinetwegen gekommen. Heute ist Freitag. Cocktail-Stunde. „Hi, Lucy. Hey, Charley. Höllisch blaues Auge.“
„Dein Werk. Wie geht’s, Ethan?“ Charley schüttelt Ethans Hand. Offenbar sind sie sich nicht böse. Männer.
Die schwarzen Witwen kommen aus der Backstube geeilt wie Pawlow’sche Hunde.
„Hallo, ihr wundervollen Wesen“, schnurrt Ethan mit dunkler und äußerst wirkungsvoller Stimme.
„Hallo, Ethan“, gurren sie einstimmig.
Nach der Cocktailstunde sind Ethan und ich mit seinen Eltern zum Abendessen verabredet. Ich habe Ethan seit der, ähm, Trennung, kaum gesehen, obwohl er jeden Abend nur ein Stockwerk über mir ist. Dienstag habe ich ihn angerufen und gefragt, ob er was unternehmen wolle - überwiegend, um ihm zu zeigen, dass wir noch immer befreundet sind, auch wenn das Bonuspaket gekündigt wurde -, aber er musste eine Präsentation für die Verkäufer an der Westküste vorbereiten. Nicht mal die Erwähnung meines Zimt-Rosinen-Brotpuddings mit Jack-Daniel’s-Buttersoße hat ihn in seinem Entschluss ins Schwanken gebracht. Trotzdem habe ich ihm eine Schüssel davon vor die Tür gestellt, in etwa wie die Zahnfee, nur mit richtig gutem Zeug.
„Was will er denn?“ Rose weist mit dem Kinn zu Charley. Ah, Kundenbindung. Das A und O eines erfolgreichen Geschäftslebens.
„Charley, was darf es sein? Wir schließen in wenigen Minuten.“
„Also, ähm …“ Charley wirft Iris zu Recht einen ängstlichen Blick zu. „Lucy,
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