Lucy kriegt's gebacken
ich wollte dich fragen, ob du mit mir mal essen gehst. Irgendwann. Wenn du, ähm, nicht zu beschäftigt bist.“
Ich blinzle überrascht.
„Eine Verabredung? Sie wollen sich mit ihr verabreden?“ Roses Stimme bebt hoffnungsvoll. „Weil sie tatsächlich nach jemandem sucht, wissen Sie? Sie will wieder heiraten und Kinder kriegen.“
Ethan unterdrückt ein Grinsen. Meine Mutter seufzt.
„Danke dir, Rose.“ Ich weiß inzwischen, dass es sinnlos ist, sie um mehr Diskretion zu bitten.
„Die Frauen in dieser Familie waren im Kindbett immer sehr tapfer“, erklärt Iris nachdenklich. Dann wirft sie Charley einen einschüchternden Blick zu. „Also? Geht es hier um ein richtiges Date, oder ist die Einladung ‚rein freundschaftlich‘?“ Iris malt Anführungszeichen in die Luft. „Sie sind doch nicht schwul, oder? Meine Tochter ist Lesben-Ärztin, mir macht das also nichts aus. Ich will nur wissen, was Sie vorhaben.“
Charley sieht verständlicherweise verwirrt aus.
„Ein Date, Charley?“, hake ich nach, nur damit wir alle Bescheid wissen.
„Ja. Ein Date.“ Er fummelt am Reißverschluss seiner Red-Sox-Jacke herum. Wie es scheint, kann er mir nicht ins Gesicht sehen.
Ethan lässt Charley keinen Moment aus den Augen. Vielleicht hat er Charley dazu überredet.
Ich weiß nicht, ob ich wirklich mit Charley Spirito ausgehen will, den ich seit der ersten Klasse kenne, als er mir das Alphabet vorgerülpst hat. Auf der anderen Seite muss ich seinen Mut bewundern, mich vor den Augen der schwarzen Witwen zu fragen. Und vor Ethan.
„Klar“, sage ich zögernd. „Das wäre nett.“
Er stößt die Luft aus. „Toll. Wie wäre es mit morgen?“
Ich schaue Ethan an. Die meisten Samstagabende in den letzten Jahren habe ich auf die eine oder andere Weise mit Ethan verbracht. Doch der gießt gerade Wodka in einen Martini-Shaker. Ach Gott, Grey-Goose-Wodka, eine völlige Verschwendung, da die schwarzen Witwen auch Benzin und hawaiianischen Punsch als schmackhaft bezeichnen würden.
Ich drehe mich wieder zu Charley. „Morgen passt gut. Danke.“
„Ich ruf dich an.“ Er nickt den schwarzen Witwen zu, schlägt Ethan auf die Schulter und geht.
„Charley Spirito?“, fragt meine Mutter. „Hat er dir nicht Kaugummi ins Haar geschmiert, als du zehn warst?“
„Ja.“ Was soll‘s. Zumindest kenne ich ihn. Und die Kaugummi-Rülps-Phase hat er inzwischen hoffentlich hinter sich.
„Schön. Sie hat eine Verabredung. Und was trinken wir heute Abend, Ethan?“ Iris strahlt.
„Sex on the Beach.“ Ethan zieht grinsend eine Flasche Pfirsichlikör aus der Tüte. Die schwarzen Witwen johlen zustimmend.
Bei der Freitag-Abend-Happy-Hour geht es weniger um mich, ich trinke nicht oft harten Alkohol (das zumindest habe ich aus dem White-Russian-Debakel gelernt). Also schnappe ich meine Tasche und rufe: „Viel Spaß, Leute. Ethan, wir sehen uns später im Gianni’s, ja?“
Drei Stunden später sitze ich am Familientisch in Gianni’s Ristorante Italiano. Seit Jimmys Tod sind diese gemeinsamen Abendessen seltener geworden, aber früher war ich oft hier. Und wie habe ich es immer genossen - das Gelächter, die Fülle an Essen, die vielen Männer. Jimmy, Gianni und Ethan - ein Ehemann, eine Vaterfigur, ein Schwager. Ich fühlte mich so sicher und geborgen.
Jetzt sitzen wir zu viert am Tisch, und Jimmy hinterlässt noch immer eine klaffende Lücke - besonders wenn alle Mirabellis zusammen sind. Ich sitze neben Ethan meinen Schwiegereltern gegenüber. Kerzen flackern, auf dem Tisch steht ein Korb mit meinem köstlichen selbst gebackenen Brot, um uns herum entzückte Gäste. Es ist wirklich ein wundervolles Restaurant, unabhängig davon, wie sehr sich mein Schwiegervater immer über seine unfähigen Köche aufregt, den dämlichen russischen Souschef, den er letzte Woche gefeuert hat, und den sogar noch dämlicheren Sizilianer, der nun an seiner Stelle hier ist. Verständnisvolle Worte murmelnd beäuge ich die Schüssel Penne mit Wodkasoße, die neben Marie steht, knapp außerhalb meiner Reichweite. Ich bin am Verhungern.
Ethan neben mir ist angespannt wie ein olympischer Läufer kurz vor dem Startschuss. So ist er immer in der Gegenwart seiner Eltern - ganz anders als Jimmy, der so locker und liebevoll mit ihnen umging, dass mir jedes Mal warm ums Herz wurde.
Wäre Jimmy alt geworden, hätte er eines Tages wie sein Vater ausgesehen -mittelmeerblaue Augen, breite Schultern, vielleicht ein paar Kilo zu viel auf den Rippen,
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