Lucy kriegt's gebacken
vergöttern. Dann werde ich mir nicht länger Emma oder Nicky ausleihen müssen, um ein Kind zu lieben.
„Wie läuft es mit der Suche nach einem Ehemann?“, fragt meine Mutter, als ob sie meine Gedanken gelesen hätte. Sie sitzt anmutig neben mir, eine Schüssel duftendes Paprikapüree in ihren gepflegten Händen.
„Ganz okay.“ Ich fummle am Ärmelsaum meines Pullovers herum. „Gut.“
„Bist du noch einmal mit Charley ausgegangen?“ Sie rührt den Brei in der Schüssel um, damit er abkühlt. Iris und Rose liegen sich noch immer in den Haaren, was die Vorteile und Gefahren eines geöffneten Fensters betrifft.
„Ähm, nein, ich glaube nicht, dass er der Richtige ist.“ Ich breche ein Stückchen Brioche ab, um die Beschaffenheit des Teigs zu testen. Schön locker, die Glasur schimmert hübsch. Schmeckt bestimmt fantastisch. Beim Gedanken, selbst eine Brioche zu essen, zieht sich mein Hals zusammen, und ich muss schlucken. Dieser verflixte Kieselstein.
„Also, wonach suchst du? Nach einem anderen Jimmy?“, fragt Mom. „Denn den wirst du nicht finden, Liebling.“
„Das weiß ich, Mom.“ Ich zögere. „Ethan und Parker versuchen es vielleicht noch einmal miteinander.“ Dann warte ich darauf, dass sie etwas Einfühlsames und Bedeutendes dazu sagt.
„Oh wie schön“, murmelt sie und pustet auf die Paprikas.
„Ethan und Parker sollten es auf jeden Fall miteinander versuchen“, zwitschert Rose dazwischen. „Sie sollten heiraten. Sonst muss der arme Nicky als Bastard aufwachsen.“
„Rose!“, rufe ich aus. „Nenn ihn nicht so! Die Hälfte aller Kinder in diesem Land haben Eltern, die nicht miteinander verheiratet sind.“
„Und deswegen wundere ich mich ja, dass du nach einem Ehemann suchst.“ Meine Mutter sieht mir fest in die Augen.
„Ich jedenfalls wollte nie wieder heiraten“, verkündet Iris. „Mein Pete war die Liebe meines Lebens. Und was höre ich da? Die Mirabellis wollen wegziehen? Was gibt es denn in Arizona, was wir hier in Rhode Island nicht haben?“
„Nun, zunächst einmal die Wüste“, sage ich. „Und Jimmy war übrigens auch die Liebe meines Lebens. Aber ich möchte nicht bis ans Ende meines Lebens allein sein. Ich möchte Kinder haben.“
„Dann adoptiere doch“, sagt Mom.
„Wir sind auf die Abschiedsfeier der Mirabellis eingeladen“, erklärt Rose. „Wie schön, ich liebe Feiern.“
„Boggy, Mittagessen ist fertig!“, verkündet Mom laut. „Hühnchen- Paprikas mit besonders viel Sauerrahm, so wie du es am liebsten magst. Und galuska gibt’s auch!“
„Oh, tut mir leid, aber das sollten Sie ihr wirklich nicht geben“, meint eine Pflegerin, die gerade den Kopf hereinstreckt. „Die Ärzte haben ihr gerade eine fett- und salzarme Kost verordnet.“
Meine Mutter und Tanten zucken zusammen, als hätte man sie geschlagen. „Was für ein Arzt?“, will Iris wissen. „Meine Tochter hat nichts über salzarme Ernährung gesagt. Und sie ist Lesben-Ärztin.“
„Arme Boggy“, schreit Rose auf. „Als ob es nicht schon schlimm genug wäre, dass sie …“ Jetzt senkt sie die Stimme zu einem melodramatischen Wispern. „Dass sie im Koma liegt.“
„Sie liegt nicht im Koma“, erklärt die Pflegerin. „Technisch betrachtet. Wie auch immer, sie muss bei ihrer Diät bleiben.“
„Meine Güte!“, rufe ich. „Tante Boggy ist einhundertvier Jahre alt. Da kann sie doch wohl ein paar Paprikas essen, meinen Sie nicht?“ Lächelnd versuche ich, an ihre Menschlichkeit zu appellieren. Einer uralten Dame ihr salziges, buttergetränktes Essen vorzuenthalten ist in meiner Familie vergleichbar mit Waterboarding . Als Nächstes wird es einen Anruf bei Amnesty International geben.
„Das stimmt“, sagt Iris. „Lucy, du hast recht. Also, rutschen Sie uns den Buckel runter, Schwester!“ Sie reißt meiner Mutter die Schüssel aus der Hand und marschiert zu Tante Boggy. Dann drückt sie den Knopf neben dem Bett, um die alte Dame in eine sitzende Position zu bringen, und löffelt ihr den Hühnchenbrei in den Mund. Die Pflegerin zieht sich seufzend zurück. Ich bin mir zwar nicht sicher, aber ich glaube, Boggy lächelt. Und obwohl es etwas eklig ist, wie Boggys schlaffer Mund auf und zuklappt wie bei einem Vogelbaby, muss ich gestehen, dass es im Zimmer herrlich duftet. Rose wischt Boggy den Mund ab, und Iris schaufelt ihr mehr von dem köstlichen Essen in den Mund.
„Mom.“ Ich hoffe, unser früheres Gesprächsthema wieder aufnehmen zu können. „Vermisst du das
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