Lucy kriegt's gebacken
riss mich mit. Es war eine großzügige Geste, und Jimmy liebte so etwas. Er hatte mir nach unserem ersten Abend vierzig Rosen ins Studentenheim geschickt. Hatte mich mit Flitterwochen auf Hawaii überrascht, als ich dachte, wir würden einfach nur nach Bar Harbor in Maine fahren. Und er hatte nicht eine einzige Nacht ohne mich ausgehalten und war nach einem anstrengenden Tag noch die weite Strecke nach Hause gefahren.
Ich weiß selbst nicht genau, warum ich jetzt hergekommen bin. Ich habe das Haus, das unser kleines Heim hätte werden sollen, in den letzten Jahren ein paarmal besucht. Es war nicht schwer zu verkaufen gewesen. Eine Familie lebt nun dort, was ich schön finde. Eine Schaukel ist im Garten aufgebaut, und ein kleines Kinderauto steht vor der Tür.
Ich fahre wieder nach Hause. Der Regen ist stärker geworden, bis ich zu Hause bin, werde ich vollkommen durchnässt sein. Mein Backkurs beginnt um fünf, und ich beschließe, Ethan etwas von der Amaretto-Zabaione mitzubringen, die wir heute machen. Wahrscheinlich habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich mal wieder Jimmy hinterhertrauere, nachdem ich beim Anblick seines Doppelgängers fast in Ohnmacht gefallen wäre. Ja. Etwas Süßes von mir hat Ethan mehr als verdient.
Nach dem Kurs kehre ich in meine Wohnung zurück. Ethan ist noch nicht zu Hause, dabei ist es schon halb neun. Ich versuche, mir keine Sorgen zu machen, und schalte meinen Computer an. Bei Google tippe ich „NatureMade“ ein und lehne mich zurück.
NatureMade ist eine gesunde Firma, wie es scheint, die langsam expandiert hat und gut mit seinen Angestellten umgeht. Matt DeSalvo wird ein paarmal erwähnt, in Inseraten, als Kontaktperson und so weiter. Nach kurzem Zögernd starte ich die Bildersuche, weil ich mich jetzt frage, ob er Jimmy wirklich so ähnlich sieht. Aber da kommt nichts.
Ich stelle mich ans Fenster und sehe in die Dunkelheit. Wo bleibt Ethan? Es regnet noch, und durch das Herbstlaub sind die Straßen rutschig. Er hat ein neues Auto. Was gut ist, aber wenn er es noch nicht oft genug gefahren ist? Wenn er einen Unfall hat? Ich habe vorhin eine Nachricht auf seinem Anrufbeantworter hinterlassen, um ihm zu sagen, dass ihn ein leckeres Dessert erwartet. Bisher habe ich dem Drang widerstanden, ihn auf dem Handy anzurufen, weil ich nicht möchte, dass er beim Autofahren telefoniert - das macht mich nervös, selbst wenn er die Freisprecheinrichtung benutzt.
Endlich klopft es an meine Tür. Natürlich ist es Ethan.
„Wo warst du?“, frage ich, mein Gesicht beginnt bei seinem Anblick zu brennen.
„Hi“, sagt er mit gerunzelter Stirn. „Ich hatte eine Besprechung.“
„Tja, gut zu wissen“, stottere ich. „Ich dachte, du wärst tot.“
Sein Gesicht wird weich. „Nun, ich scheine noch am Leben zu sein.“
Beinahe hätte ich ihn geküsst. Ihn umarmt. Aber dann geht der Moment, wo es sich natürlich angefühlt hätte, vorbei, und wir sehen uns einfach nur an. Fat Mikey arbeitet unter dem Sofa an einem Haarball.
„Ich habe Zabaione gemacht“, murmle ich. „Komm rein.“
Er folgt mir in die Küche und setzt sich auf seinen üblichen Stuhl. „Danke“, sagt er, als ich eine Schale vor ihn stelle. Dann setze ich mich auch und sehe ihm beim Essen zu.
„Willst du einen Löffel?“, fragt er.
„Sinnlos.“ Ich winke ab. Ich habe schon beim Backkurs etwas davon probiert - der Duft von Eiern und Sahne, von Vanille und Zitronenschale war so verführerisch. Aber wie immer hat es nach nichts geschmeckt.
„Wie war dein Tag?“, fragt Ethan, und ich erzähle ihm von Matt DeSalvos Angebot. Aus irgendeinem Grund erwähne ich nicht, dass Matt genau wie Jimmy aussieht.
„Das ist ja wirklich toll.“ Ethan kratzt die Schüssel aus und steht auf, um sich eine weitere zu holen. „Und willst du das machen?“
Ich zögere. „Ich weiß nicht. Wahrscheinlich“, antworte ich langsam. Fat Mikey stößt den Kopf gegen das Tischbein, um auch etwas von der Zabaione abzubekommen. Ethan gehorcht und stellt seine leere Schale auf den Boden, damit Fat Mikey sie auslecken kann.
„Damit könntest du auf jeden Fall das Geschäft ankurbeln“, sagt er.
„Ich weiß. Ich bin nur nicht sicher, ob ich bis ans Lebensende Bäckerin sein will. Wenn auch eine erfolgreiche Bäckerin.“
„M-hm.“ Er isst noch immer und sieht mich dabei erwartungsvoll an.
Ich zucke mit den Schultern. „Ich schätze, am liebsten möchte ich wieder als Konditorin arbeiten.“
„Und warum machst du das dann
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