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Lucy Sullivan wird heiraten

Lucy Sullivan wird heiraten

Titel: Lucy Sullivan wird heiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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geringsten dafür zu entschuldigen.
    Während ich mich noch von dem Schrecken erholte, kam die arme Bedienung zurück, um unsere Bestellung aufzunehmen. Ich war sicher, daß ich mich übergeben müßte, wenn man von mir erwartete, daß ich etwas aß, aber Chuck schien einen gesunden Appetit zu haben, denn er bestellte das größte Steak auf der Karte und sagte obendrein, daß er es blutig haben wolle.
    »Warum lassen Sie sich nicht einfach eine Kuh an den Tisch bringen und sagen ihr, sie soll auf Ihren Teller steigen?« schlug ich vor.
    Von mir aus konnten Leute ruhig rohes Fleisch essen, aber es war so verlockend, boshaft zu ihm zu sein – die Gelegenheit wollte ich mir nicht entgehen lassen. Leider lachte er einfach. Schade, die ganze Gemeinheit für nichts und wieder nichts verschwendet.
    Dann fand er, es sei an der Zeit, einander besser kennenzulernen und Erlebnisse aus dem Leben des anderen zu erfahren.
    »Waren Sie schon mal in der Karibik?« knurrte er mich an. Ohne auf meine Antwort zu warten, begann er, die weißen Strände zu beschreiben, die freundlichen Eingeborenen, die herrlichen Möglichkeiten, zollfrei einzukaufen, die leckere Küche, die Pauschalangebote, auf die er Rabatt bekam, weil sein Schwager in einem Reisebüro arbeitete...
    »Na ja, eigentlich ist er nicht mehr Ihr Schwager, nachdem Sie und Meg geschieden sind, nicht wahr...?« unterbrach ich ihn, aber er beschloß, es zu überhören. Er konzentrierte seine ganze Aufmerksamkeit auf sich selbst.
    Endlos ging der hymnische Bericht weiter. Die schöne cabana , in der er gewohnt hatte, das phosphoreszierende Leuchten der tropischen Fische. Ich hörte ihm so lange geduldig zu, bis ich es nicht mehr aushielt. Äußerst unhöflich unterbrach ich seine Beschreibung des sauberen, klaren, blauen Wassers, auf dem er einen Ausflug in einem Glasbodenboot unternommen hatte.
    »Lassen Sie mich raten«, sagte ich voll sarkastisch. »Sie waren mit Meg da.«
    Er hob rasch sein starres Gesicht und sah mich mißtrauisch an.
    Ich schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, um ihn zu verwirren.
    »He, wie sind Sie darauf gekommen?« sagte er mit breitem Grinsen.
    Ich setzte mich auf meine Hand, um mich daran zu hindern, ihn zu ohrfeigen.
    »Vermutlich weibliche Intuition«, kicherte ich anmutig und spürte, wie sich hinter meinen Zähnen Erbrochenes staute.
    ... wo wir gerade bei den Zähnen sind: Was stimmte mit seinen nicht? Trug er einen Zahnschutz?...
    »Sie möchten also eine Beziehung mit mir eingehen, Lisa?«
    »Äh...« Wie konnte ich ihm sagen, daß ich lieber eine Beziehung mit einem Lepra-Kranken hätte, ohne ihn zu kränken? Ich meine, den Lepra-Kranken.
    »Ich möchte Sie nämlich warnen«, sagte er, wieder mit breitem Grinsen. »Ich bin ziemlich wählerisch.«
    Es war mir nicht mehr wichtig, ob mein Essen kam oder nicht.
    »Aber Sie sind irgendwie niedlich.«
    »Vielen Dank«, murmelte ich. Zuviel der Ehre.
    »Ja, auf einer Skala von eins bis zehn würde ich Ihnen... mal sehen, ja, ich würde Ihnen sieben Punkte geben. Nein, sagen wir, sechseinhalb. Ein halbes Prozent muß ich abziehen, weil Sie bei unserer ersten Begegnung Alkohol getrunken haben.«
    »Vermutlich meinen Sie einen halben Punkt, kein halbes Prozent, denn Sie sprechen von einer Zehner- und nicht einer Hunderter-Skala. Was ist im übrigen dagegen einzuwenden, daß jemand bei der ersten Verabredung Alkohol trinkt, was unterscheidet solche Menschen von anderen?« fragte ich kalt.
    Er sah mich mit gerunzelter Stirn an. »Sie haben ein ziemlich vorlautes Mundwerk. Sie stellen ’nen ganzen Haufen Fragen, wissen Sie das?«
    »Nein ehrlich, Chuck, ich möchte gern wissen, was mich bei Ihnen einen halben Punkt gekostet hat.«
    »Nun, ich sag’s Ihnen, Lisa. Wissen Sie, was es bedeutet, wenn eine Frau bei der ersten Verabredung Alkohol trinkt? Ist Ihnen klar, was Sie damit über sich selbst sagen?«
    Ich sah ihn verständnislos an.
    »Nein«, sagte ich freundlich, »aber Sie können mich gern aufklären.«
    »Hä?«
    »Ich meine, sagen Sie es mir bitte.«
    »P-R O-S-T-U-I-R-T-E«, buchstabierte er langsam.
    »Wie bitte?« fragte ich verwirrt.
    »Man stuft Sie als Straßenmädchen ein«, sagte er ungeduldig, »als Hure.«
    »Ach, Sie meinen Prostituierte«, sagte ich. »Wenn Sie das richtig buchstabiert hätten, wär mir wohl eher klargeworden, worauf Sie hinauswollten.«
    Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Was wollen Sie damit sagen? Daß Sie klüger sind als ich, oder

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