Lucy Sullivan wird heiraten
vorbei, um dich umzudrehen«, sagte er. »Sonst liegst du dich wieder wund.«
»Vielen Dank.«
»Nein, hör mal, Lucy«, fuhr er fort. »Warum gehst du nicht morgen abend mit mir aus?«
»Morgen?«, fragte ich. »Am Samstagabend?«
»Ja.«
»Aber Daniel, selbst wenn ich morgen abend wollte – was aber ist nicht der Fall –, würde ich bestimmt nicht mit dir ausgehen«, erklärte ich.
»Schade.«
»Nichts für ungut«, sagte ich, »aber Sinn des Samstagabends ist es, auf Parties zu gehen und Männer kennenzulernen, nicht aber, mit guten Freunden auszugehen. Dafür hat der liebe Gott den Montagabend erschaffen.« Mit einem Mal kam mir ein beunruhigender Gedanke.
»Von wo aus rufst du eigentlich an?« fragte ich mißtrauisch.
»Äh, von zu Hause«, sagte er. Es klang betreten.
»An einem Freitagabend?« fragte ich erstaunt. »Und am Samstagabend willst du mit mir ausgehen? Was ist da faul?«
Dann begriff ich, und meine Stimmung hob sich beträchtlich.
»Diese Ruth ist zur Vernunft gekommen und hat dich in die Wüste geschickt, stimmt’s?« sagte ich mit zuckersüßer Stimme. »Offen gestanden hatte ich gar nicht gewußt, daß sie irgendeine Vernunft hat, zu der sie kommen könnte.«
Zu Daniels Frauengeschichten fiel mir grundsätzlich nur Herabsetzendes ein. Meiner Ansicht nach verdiente jede Frau, die so blöd war, sich mit einem bindungsscheuen Süßholzraspler wie Daniel einzulassen, boshafte Kommentare.
»Bist du jetzt nicht doch froh, daß ich angerufen hab«, fragte er gut gelaunt, »und du abgehoben hast, statt den Anrufbeantworter laufen zu lassen?«
»Danke, Daniel«, sagte ich und fühlte ich mich ein wenig besser. »Du bist wirklich aufmerksam. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Raus mit der Sprache – was ist passiert?«
»Ach«, sagte er unbestimmt, »wie das so ist. Ich erzähl dir alles genau, wenn wir uns morgen abend sehen.«
»Du wirst mich morgen abend nicht sehen«, sagte ich betont liebenswürdig.
»Aber Lucy«, gab er mit vernünftig klingender Stimme zurück, »ich habe einen Tisch in einem Restaurant bestellt.«
»Tja, Daniel«, sagte ich mit ebenso vernünftig klingender Stimme, »das hättest du nicht tun sollen, ohne vorher mit mir darüber zu sprechen. Du kennst meine unvorhersagbaren Stimmungen, und im Augenblick bin ich wirklich nicht besonders amüsant.«
»Nun ja«, fuhr er fort, »ich hatte ihn schon vor ewigen Zeiten bestellt, weil ich mit Ruth hingehen wollte. Aber weil das mit uns beiden jetzt nichts mehr ist...«
»Ach so«, sagte ich, »du willst gar nicht unbedingt mit mir gehen, sondern mit irgendeiner. Das dürfte dir nicht schwerfallen, wenn man bedenkt, wie dich die Frauen anhimmeln, auch wenn ich ehrlich gesagt nicht ganz verstehe, warum...«
»Nein, Lucy«, unterbrach er mich. »Ich möchte unbedingt, daß du mit mir gehst.«
»Tut mir leid, Daniel«, sagte ich traurig, »aber ich bin wirklich zu deprimiert.«
»Hat dich denn die Neuigkeit nicht aufgeheitert, daß mich meine Freundin verlassen hat?«
»Doch, natürlich«, sagte ich und bekam ein schlechtes Gewissen. »Aber ich kann mich einfach nicht mit dem Gedanken anfreunden, daß ich ausgehen soll.«
Dann spielte er seinen Trumpf aus. »Ich hab Geburtstag«, sagte er trübselig.
»Erst nächsten Donnerstag«, antwortete ich rasch.
Ich hatte vollständig vergessen, daß er Geburtstag hatte, war aber blitzschnell mit einer Ausrede zur Stelle. Ich hatte ziemlich Übung darin, mich aus Situationen herauszumogeln, die mir unangenehm waren, und das kam mir jetzt zugute.
»Aber ich möchte unbedingt gerade in das Restaurant gehen«, sagte er einschmeichelnd. »Und man kriegt da so schwer ’nen Tisch.«
»Ach, Daniel«, sagte ich und merkte, wie mich Verzweiflung überkam. »Warum tust du mir das an?«
»Du bist nicht die einzige, die sich elend fühlt«, sagte er ruhig, »du hast kein Monopol darauf, mußt du wissen.«
»Entschuldige«, sagte ich, teils schuldbewußt, teils verärgert. »Bist du jetzt sehr traurig?«
»Du weißt ja, wie das ist«, sagte er, nach wie vor ruhig und niedergeschlagen.
Mit der Frage »Hab ich dich schon mal im Stich gelassen, wenn’s dir dreckig ging?« war mein Schicksal besiegelt.
»Das ist Erpressung«, sagte ich düster, »aber ich komm mit.«
»Schön«, sagte er. Es klang fröhlich.
»Geht’s dir sehr schlecht?« fragte ich. Mich interessierte die Verzweiflung anderer grundsätzlich. Ich verglich sie immer mit meiner eigenen, weil ich mich nicht für
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