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Luderplatz: Roman (German Edition)

Luderplatz: Roman (German Edition)

Titel: Luderplatz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Jäger
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Wasser starrte. Er hielt sein Mädchen vorsichtig im Arm. Er hat nicht Schluss gemacht, dachte Viktoria. Er nicht.
    »Hier muss es sein.« Mario war neben sie getreten. »Die Koordinaten stimmen.«
    Viktoria sah, dass das Mädchen eine kleine Blechkiste in der Hand hielt. Sie trat auf die Brücke, stellte sich neben sie und schaute ebenfalls ins Wasser. »Seid ihr Geocacher?«
    Das Mädchen nickte und schniefte gleichzeitig.
    Ihr Freund ergriff das Wort. »Sie hat einen tierischen Schreck bekommen. In der Schatzkiste hier lag ein Finger oder so was!«
    »Was!?« Viktoria war hellwach.
    »Na ja, so ein blutiger Finger eben. Und er ist uns runtergefallen.«
    Jetzt schaute auch Mario in das rauschende Beverwasser. »Jetzt gerade?«
    Synchrones Nicken.
    Mario und Viktoria sahen sich an, dann starrten sie in das schäumende Wasser.
    »Da!« Viktoria hatte etwas entdeckt. Aber es war nur ein kleiner Stock, der aus dem Wasser auftauchte.
    Mario verließ die Brücke und kletterte einen schmalen Trampelpfad zum Ufer hinab. Er sank im matschigen Ufer ein und verfluchte seine undichten Sneaker. Im trüben Wasser der Bever spiegelten sich die Bäume und der graue Himmel. Es hatte keinen Sinn.
    Viktoria beobachtete ihn von der Brücke aus. Als sich ihre Blicke trafen, hoben beide die Schultern und schüttelten den Kopf. Nein, es hatte wirklich keinen Sinn, hier nach einem Finger zu suchen.
    Viktoria räusperte sich. »Darf ich mal?« Sie deutete auf die kleine Blechkiste, die das Mädchen immer noch festhielt. Es war erleichtert, den bösen Schatz loszuwerden. Sicherheitshalber verließ Viktoria die Brücke, damit nicht noch etwas herunterfallen konnte, und setzte sich auf eine kleine Mauer etwas abseits. Die Jugendlichen waren ihr gefolgt und standen unschlüssig vor ihr. »Habt ihr schon etwas reingetan?«, fragte sie. Mario hatte ihr vorher erklärt, wie das mit dem Schatzsuchen funktionierte. Wer einen Schatz findet, darf etwas entnehmen und muss dafür eine Kleinigkeit hinterlassen. Doch die Jugendlichen verneinten. Der Finger hatte ihnen den Spaß mächtig verdorben.
    Viktoria untersuchte die Dose. Von innen glänzte sie golden, draußen stand in verschnörkelten Buchstaben »Wallners Weihnachtsgebäck«. Blutspuren konnte sie nicht entdecken. Drinnen fand sie, was sie erwartet hatte. Schrott. Ein Plastiktierchen aus einem Überraschungsei, einen Blechring mit Glitzersteinchen, einen blank polierten kleinen Stein, eine Postkarte mit einem Wasserschloss darauf, einen Angelhaken, eine Glasmurmel und eine Sammelkarte. Auf der Sammelkarte war ein Basketballspieler aus der amerikanischen Basketballliga abgebildet, sein Name war Gordon Bales. Viktoria wollte sie gerade zurücklegen, als ihr Blick auf die Rückseite fiel. Jemand hatte mit schwarzem Stift etwas auf das glänzende Papier geschrieben. Sie hielt den Atem an. Florian stand dort. Und: Finde mich!
    Florian! Viktoria wurde schlecht.

 
    6. Kapitel
    Es hatte aufgehört zu regnen. Karl Linnenbecker lenkte seinen dunkelgrünen Nissan Frontera über die Sandpiste und genoss den schlechten Zustand des Weges. Wozu hatte er schließlich gespart und sich den Allrad-Wagen gekauft – na ja, geleast. Das schmutzige Pfützenwasser spritzte zur Seite, Karl riss das Lenkrad scharf nach rechts und blieb auf dem unbefestigten Wegesrand stehen, direkt neben einer Fichtenschonung. Mit der Werkzeugkiste in der rechten Hand stapfte er am Feld vorbei Richtung Luderplatz. Er achtete darauf, nicht auf die zarten Senfpflanzen zu treten, und stieß die Holztür zum Unterstand auf. Es war wirklich höchste Zeit, die morschen Bretter auszuwechseln, sonst würde der nächste Jäger, der hier ansaß, womöglich sein Gewehr verreißen, weil er in einer der Holzdielen versank, während er Gevatter Fuchs im Visier hatte.
    Karl machte sich an die Arbeit. Mit einer Zange zog er die rostigen Nägel aus dem Holz. Die verwitterten, weichen Bretter warf er auf einen Haufen. Als er gerade am nächsten Nagel reißen wollte, entdeckte er auf dem freigelegten feuchten Boden unter dem Unterstand einen glänzenden Plastikschnipsel. Er griff danach und spürte eine kleine Hitzewelle in seinem Unterleib. Kondomverpackungen verrotten nicht, dachte er. Dann steckte er den Schnipsel in seine Jackentasche und holte den Zollstock aus seiner Werkzeugkiste.
    »Hey, Victory. Was ist los?« Mario kam näher und schaute besorgt in Viktorias blasses Gesicht. Statt zu antworten, hielt sie ihm die Sammelkarte von Gordon Bales

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