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Luderplatz: Roman (German Edition)

Luderplatz: Roman (German Edition)

Titel: Luderplatz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Jäger
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Wer war so dämlich, nachts mit Taschenlampen Reflektoren im Wald zu suchen, um eine Kiste mit – wow – glitzernden Murmeln zu finden.
    »Kompletter Schwachsinn«, war dann auch ihr einziger Kommentar, als Mario mit seinem Volkshochschulbeitrag zum Thema moderne Schatzsuche abgeschlossen hatte. Wenn es nach ihr gegangen wäre, würde sie jetzt nicht auf die sich ändernden Zahlenkombinationen auf Marios GPS -Handy schauen. Doch sie gab nach, als er – vom Jagdfieber getrieben – bat: »Bitte – ich bin sooo neugierig.«
    Als Mario die Koordinaten in sein Gerät eingab, dauerte es ein paar Sekunden, dann zeigte es an, wo der Schatz versteckt war. »Oh«, sagte Viktoria, und ihr Hirn begann zu arbeiten. Wer auch immer ihr diese seltsame SMS geschickt hatte, er oder sie wollte, dass sie in Westbevern einen Schatz suchte. Und selbst wenn sie es nicht zugab – jetzt war sie auch sehr neugierig, was sie dort finden würden.
    »Rechts oder links?« Mario fuhr langsamer, der schmale Feldweg gabelte sich.
    Viktoria hatte keine Ahnung. Rechts sah sie ein kleines weißes Häuschen, das aussah wie eine Miniaturkapelle, links wies ein Wegweiser Richtung Haus Langen. Ein dickbäuchiger Wanderer mit Rucksack war darauf abgebildet. »Ich schätze links«, sagte sie und schrie kurz darauf: »Achtung! Pferd!«
    Mario trat auf die Bremse, das Pferd vor ihnen stieg samt Reiter hoch. Viktoria hielt den Atem an und begann drei Sekunden später zu lachen. Das Tier, ein glänzendes schwarzes, sehr großes und muskulöses Geschöpf, hatte sich schon wieder beruhigt und ließ direkt vor Marios gelbem Barcetta ein paar dampfende Pferdeäpfel fallen.
    »Scheiße, war das knapp«, sagte Mario.
    »Du sagst es«, kommentierte Viktoria trocken und schaute sich um. Es hatte aufgehört zu regnen, doch der Himmel war grau und fahl. Der Weg, dem sie jetzt in angemessenerem Tempo folgten, nachdem das Pferd sich auf den Seitenstreifen bewegt hatte, schlängelte sich durch triste Felder. Von wegen goldener Oktober, dachte Viktoria. Rostiger Blechoktober würde es besser treffen.
    Noch eine Brücke, die über die prall gefüllte Bever führte, eine lang gezogene Rechtskurve, und sie waren da. Mario parkte den Wagen auf glitschigem Laub, und kurz fürchtete Viktoria, sie würden die Böschung hinab in den Fluss rutschen. Sie öffnete die Tür, stieg aus und atmete die vom Regen frisch gewaschene Luft ein. Riecht besser als im Volkspark Friedrichshain, dachte sie und ließ den Blick schweifen. Sie sah zwei Fachwerkhäuser, die links und rechts vom Fluss lagen, sie wurden mit einer dunklen Holzbrücke verbunden, auf der zwei Teenager standen. Sie hörte ein gleichmäßiges Rauschen.
    Mario tippte in sein Smartphone und las aus dem Wikipedia-Eintrag vor: »Haus Langen ist ein ehemaliges Rittergut mit einer Wassermühle. Es liegt südwestlich des Telgter Stadtteils Westbevern an einem Wehr in der Bever kurz vor der Mündung der Ems. Haus Langen verdankt seinen Namen den edlen Rittern von Langen.«
    Sie hörte nur mit halbem Ohr zu. Vielleicht hat Kai mich hierhergelockt, dachte sie. Nein, kann nicht sein. Zu romantisch für ihn, überlegte sie. Und wusste nicht, ob sie sich darüber freuen sollte.
    Sie stapfte in ihren Wildlederstiefeln durch die nassen Blätter Richtung Brücke. Die Schuhe saugten die Feuchtigkeit gierig auf. »Mist.« Viktoria spürte ihre kalten Füße. Plötzlich hörte sie ein leises Jammern. Sie versuchte, das Geräusch zu orten, schaute sich um, lauschte. Es kam von dem Pärchen auf der Brücke. Das Mädchen weinte. Der Junge starrte in den künstlichen Wasserfall unter ihnen.
    Viktoria spitzte die Ohren, gab sich alle Mühe, das Wasserrauschen wegzufiltern, um zu hören, was die beiden zu besprechen hatten. Sie vermutete, dass sie Liebeskummer hatten. Zwischen vierzehn und achtzehn hat man so was noch, dachte sie, und ganz kurz erinnerte sie sich an ihren ersten Kuss. Sie war vierzehn und bis zu diesem Tag der festen Überzeugung gewesen, hässlich und uninteressant zu sein. Nach der Knutscherei im Spielplatzhäuschen war alles anders. Sie war die Schönste, sie schwebte, sie war glücklich. Drei Wochen später machte er Schluss. »Es kommt irgendwie nichts mehr rüber«, hatte er ihr mitgeteilt. Und sie fühlte sich wieder hässlich und uninteressant. Mein Gott, war sie verliebt gewesen, damals. Mein Gott, war sie dämlich gewesen, damals.
    »Ich kann nichts sehen.« Sie hörte, was der Junge sagte, während er ins aufgewirbelte

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