Luderplatz: Roman (German Edition)
oder ganze Namen – keine vollständigen E-Mail-Adressen. Sie konnte ihnen also nicht schreiben. Doch auch sie konnte eine Nachricht auf der Plattform hinterlassen.
Viktoria überlegte kurz, nannte sich VLatell und schrieb: »Es geht um Leben und Tod.« Na ja, dachte sie. Auch schon bessere Formulierungen gewählt. Aber der Zweck heiligte die Mittel. »Alle, die den Schatz bei Haus Langen gehoben haben, könnten wichtige Zeugen sein. Bitte unbedingt bei mir melden.« Sie überlegte, wog ab und hinterließ ihre E-Mail-Adresse und ihre Handynummer. Hier in Westbevern würden sich schon nicht so viele Psychos herumtreiben wie in Berlin, hoffte sie und drückte den Senden-Button. Große Hoffnung hatte sie nicht auf eine schnelle Antwort.
»Harry?« Viktoria schaute auf und suchte den zurückhaltenden Wirt. Sie blickte jedoch nur in das rosige Gesicht von Rosa, Harrys Frau.
»Kann ich helfen?«, fragte sie mit einem kleinen Hauch Boshaftigkeit in der Stimme, wie Viktoria fand. Doch für ihre Zwecke war Rosa vielleicht sogar die bessere Wahl, denn die würde bestimmt jeden aus Westbevern und Umgebung kennen.
»Kennen Sie einen Catchi?« Viktoria las die Namen der Schatzsucher von der Geocachingseite vor.
Rosa nickte. »Matthias Grone. Aber fragen Sie mich nicht, warum er Catchi genannt wird.«
Viktoria notierte den Namen und fragte weiter. »Was ist mit R. Winter?«
»Könnte Reinhold Winter sein. Einer von den Dachdeckern. Haben sich gerade selbstständig gemacht, fleißige Jungs – und es läuft gut.«
»Minimi?«
»Keine Ahnung. Wieso wollen Sie das eigentlich wissen?«
»Ich bin auf Schatzsuche«, sagte Viktoria und schaute dabei so, als hätte sie eine eindeutige Antwort gegeben.
Rosa war nicht ganz zufrieden, doch sie fragte nicht weiter, sondern zeigte auf die Eingangstür. »Grüß dich Catchi – ich glaube, die Dame hier interessiert sich für dich.«
Es geht doch nichts über die direkte Recherche, dachte Viktoria und musste an ihren Kollegen Charly Berendsen und seine Polizeireporterweisheiten denken. Charly belächelte die Internetrecherche der jungen Nachwuchsreporter und predigte ihnen immer wieder: »Fragen, Leute! Koscht nix, bringt viel!« Wie recht er hatte.
Viktoria blickte zur Tür, in der also laut Rosa Catchi alias Matthias Grone alias einer der Schatzsucher von Haus Langen stand und sie neugierig musterte. Er kam näher, nickte, und Viktoria staunte nicht schlecht.
Matthias Grone hatte Hände, die größer waren als jede Hand, die Viktoria jemals geschüttelt hatte. Er selbst war auch nicht gerade klein geraten. Er überragte Viktoria locker um anderthalb Köpfe. Von oben herab, aber durchaus freundlich, sah er die Reporterin an und sagte: »Aha … soso … mmmh.« Gerade als Viktoria ernsthaft darüber nachdachte, ob er wirklich verstanden hatte, was sie gefragt hatte, kam doch noch ein ganzer Satz. »Ich hab ’ s dabei.«
»Was?«, fragte Viktoria verblüfft.
»Na, du hast doch danach gefragt, was ich aus der Schatzkiste genommen habe, die im Hohlraum unter dem Baum versteckt war, oder?«
Er hat mich wirklich verstanden, dachte Viktoria. Und: Er duzt mich. »Ja, das habe ich.«
Catchi bestellte ein Bier und kramte währenddessen in der Gesäßtasche seiner Jeans. Ein platt gedrücktes, verschlissenes schwarzes Portemonnaie kam zum Vorschein, das mit Tackernadeln zusammengehalten wurde. Er durchsuchte das hintere Geldscheinfach und zog schließlich ein Busticket heraus. »Hier – ist noch nicht entwertet.«
»Das ist von den Berliner Verkehrsbetrieben.« Viktoria traute ihren Augen kaum. »Wann hast du den Schatz gefunden?«
»Gestern Abend. War mit ’ nem Kumpel unterwegs.«
»Kann ich es haben?«
Catchi alias Grone schüttelte den Kopf. »Ich fahr im nächsten Frühjahr nach Berlin. Kegeltour. Und das Ticket ist noch nicht entwertet, hab ich doch schon gesagt …« Er musterte Viktoria misstrauisch.
»Ich weiß. Ich zahl es dir.« Er schaute ungläubig. Erst als Viktoria ihm einen Zwanzigeuroschein unter die Nase hielt, hellte sich sein Gesicht auf. »Na, davon kriege ich ja locker ein Tagesticket.«
»Genau.«
Catchi bekam sein Bier, nahm einen großen Schluck und sah zufrieden aus. »Du bist die Reporterin, oder?«
Viktoria nickte.
Er nahm noch einen großen Schluck. »Da war noch ein Zettel dran.«
»Wo dran?«
»Na, an dem Busticket war so ein gelbes Zettelchen mit dem Klebestreifen dran. Den habe ich aber weggeschmissen.«
»Stand was drauf?« Viktoria
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