Luderplatz: Roman (German Edition)
Todesursache nicht abschließend feststellen. Ein extrem niedriger Blutzuckerspiegel könne mehrere Ursachen haben. Könne aber auch reiner Zufall sein.
Viktoria nickte. Sie wusste, dass weitere Nachfragen zum Thema Nana Oppenkamp seltsam gewesen wären. Also beschränkte sie sich darauf, noch ein bisschen mehr über den Arbeitsalltag von Frank Metzger herauszufinden, um mehr Stoff für ihre Reportage zu haben. Sie zerkleinerte den Kuchen auf ihrem Teller, damit nicht auffiel, dass sie kaum etwas aß, denn aus irgendeinem Grund hatte sie keinen Appetit. Außerdem war ein bisschen Disziplin durchaus angesagt, denn Viktoria gehörte nicht zu den Frauen, die essen konnten, was sie wollten. Und ihr fiel es schwer, auf Chips und Gorgonzolanudeln zu verzichten. Dann schon lieber weniger Kuchen essen. Sie legte die Serviette auf die Krümel und schaute sich noch einmal in dem Café um, das Metzger für ihr letztes Treffen vorgeschlagen hatte.
»Sieht es nicht aus wie in Berlin?«, hatte er stolz gefragt, als sie eingetreten waren. Er hatte auf die ledernen Lounge-Garnituren gezeigt, die an kargen, rauen Wänden standen.
Sie hatte höflich gelächelt und innerlich gelacht. In Berlin wurde es endlich wieder gemütlicher, und hier in der Provinz machten sie auf coolen Industriestyle – was für ein Schwachsinn! Sie hätte ihren Kaffee jedenfalls lieber aus altmodischen Zwiebeltassen getrunken als aus diesen schlichten Gläsern, die einen auf Großstadt machten. Und ganz ehrlich: Welcher Hornochse von Innenarchitekt hatte eigentlich die Idee gehabt, dass man sich auf weißen Lederquadern in überdimensional großen Räumen, die Fabrikhallen ähnelten, entspannten könnte?
Viktoria schaute auf die Uhr und lächelte Frank Metzger an. »Mein Gott, so spät schon – wir müssen langsam los«, entschuldigte sie sich.
Mario winkte dem Kellner, Metzger wollte zahlen.
Viktoria grinste. »Spesen«, sagte sie, und er gab auf. Zum Abschied tauschten alle drei ihre Visitenkarten. Metzger zückte also doch noch sein Portemonnaie, und Viktoria entdeckte zwei Kindergesichter. Er hat die Fotos seiner Lieben dabei, dachte sie. Was für ein netter Leichenschneider.
8. Kapitel
Charly Berendsen hielt sich die Ohren zu. Viktoria räumte auf. Die leeren Colaflaschen packte sie in einen alten Karton, einige fielen um, das Glas schepperte.
»Victory, was ist los? Schlecht drauf?«
Viktoria antwortete nicht. Sie riss das obere Blatt ihrer Schreibtischunterlage vom großen Block, zerknüllte es und warf es in den Papierkorb. Danach pfefferte sie alte Kugelschreiber, die schon lange nicht mehr schrieben, in den Plastikeimer. Erst als sie fertig war, ließ sie sich auf ihren Stuhl plumpsen und blickte den Kollegen an.
»Wurde einfach mal Zeit.«
»Stimmt, das war ja kein Schreibtisch mehr, das war eine Müllhalde – du Schlampe.« Charly grinste.
»Leck mich!« Viktoria grinste ebenfalls.
»Gerne!«
Viktoria ging nicht weiter darauf ein. Sie war einfach zu gut gelaunt, um schlecht gelaunt zu sein. Also ließ sie die Zweideutigkeiten von Charly durchgehen und dachte lieber an das vergangene Wochenende. Das gehörte rot eingerahmt. Der Preis für The Weekend of the Year goes to Viktoria Latell und Kai Westmark. Viktoria schloss die Augen und startete ihr Erinnerungskino am späten Samstagnachmittag …
Nachdem sie und Mario sich von Leichenschneider Metzger verabschiedet hatten, fuhren sie zum Gasthof König zurück. Etwas unschlüssig. Denn eigentlich waren sie ja fertig mit ihren Recherchen und hätten direkt weiter nach Berlin fahren können.
Doch der Abend und der Sonntag lagen noch vor ihnen. In der Redaktion wurden sie erst am Montag erwartet. Warum also hetzen?
Viktoria tastete in ihrer Tasche nach dem Handy und versuchte möglichst unauffällig nachzuschauen, ob Kai ihr inzwischen gesimst hatte. Es misslang. Mario hatte sie längst durchschaut.
»Na, hat sich dein Liebster noch nicht gemeldet?«
Viktoria knuffte ihn in die Seite, zuckte mit den Schultern und zog ihr Telefon aus der Tasche. Das Ortseingangsschild von Westbevern rauschte an ihnen vorbei.
Als sich gerade die Enttäuschung in ihren Eingeweiden ausgebreitet hatte, weil sie kein Briefsymbol im Display entdeckt hatte, verscheuchte eine fröhliche Hitzewelle das üble Gefühl. Kai Westmark lehnte neben dem Eingang des Gasthauses an der Wand, rauchte entspannt eine Zigarette und sah den beiden beim Einparken zu. Viktoria zwang sich, nicht zu jubeln und stieg ganz
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