Ludlum Robert - Covert 03
mächtig gewordenen NRO überstieg mit seinen mehreren Milliarden Dollar die Summe der jährlichen Ausgaben der drei nächstmächtigen Spionageimperien der Nation – der CIA, des FBI und der NSA.
Hier in den sanften Hügeln von Virginia war die Empfangsstation des NRO untergebracht, eine Konzentration modernsten elektronischen Geräts und zahlreicher Teams von Spitzenanalysten. Einer dieser zivilen Analysten war Donna Lindhorst, eine sommersprossige Frau mit kohlschwarzem Haar, die jetzt nach sechs Tagen ununterbrochenem Alarmeinsatz todmüde war. Heute überwachte sie eine Raketenstation in Nordkorea, einem Land, das nicht nur als potenzielle Bedrohung für die Vereinigten Staaten und ihre Alliierten galt, sondern von dem man auch annahm, dass es mit hoher Priorität Langstreckenraketen entwickelte.
Als langjährige NRO-Angestellte wusste Donna, dass Spionagesatelliten jetzt seit rund vierzig Jahren am Himmel kreisten, viele davon hundert Meilen und mehr über der Erdoberfläche. Mit einer Geschwindigkeit von Mach 25 durch den Weltraum ziehend, überflogen diese Milliarden-DollarVögel zweimal täglich jeden Punkt auf der Erdoberfläche und machten digitale Schnappschüsse von Orten, die für die CIA, für die Regierung und das militärische Oberkommando von Interesse waren. Zu jedem beliebigen Zeitpunkt befanden sich wenigstens fünf der Satelliten am Himmel. Ob es nun Bürgerkriegshandlungen im Sudan oder Umweltkatastrophen in China zu beobachten galt, die Satelliten Amerikas lieferten einen ständigen Strom von Schwarz-Weiß-Bildern.
Die Raketenstation in Nordkorea, die Donna studierte, hatte im Augenblick hohe Priorität. Den Vereinigten Staaten fehlte gerade noch, dass irgendein Schurkenstaat die augenblicklich unsichere elektronische Situation ausnutzte. Und genau das könnte in diesem Augenblick geschehen. Donna war, als würde ihr jemand die Kehle zudrücken – das Bild, das sie beobachtete, zeigte nämlich eine Hitzewolke von genau der Art, wie sie bei Raketenstarts emittiert wurde.
Sie studierte ihren Bildschirm angespannt und fokussierte die Satellitenkamera auf das umliegende Areal. In der Welt der Geheimdienste wurde der von ihr augenblicklich genutzte Satellit der »Schlüsselloch-Klasse« zugeordnet. Er war imstande, alle fünf Sekunden eine Aufnahme zu machen und diese über Milstar-Satelliten fast in Echtzeit auf ihren Bildschirm zu übertragen. Das stellte höchste Anforderungen an die Datenübertragung und die Bildverarbeitung, aber sie musste unbedingt wissen, ob diese Hitzewolke echt war. Wenn ja, dann war das die Frühwarnung eines Raketenangriffs.
Sie beugte sich besorgt vor, leitete Digitalscans ein, las die Datenströme am unteren Rand des Bildschirms immer wieder … und dann wurde der Bildschirm plötzlich schwarz. Sämtliche Bilder waren verschwunden. Einen Augenblick lang war sie wie erstarrt, dann stieß sie ihren Stuhl nach hinten und starrte entsetzt auf die Bildschirme an der Wand. Alle waren dunkel. Nichts kam durch. Wenn die Nordkoreaner jetzt einen Atomangriff gegen Amerika starten wollten, konnte sie nichts daran hindern.
Washington D. C.
In den Büros und Korridoren des Westflügels des Weißen Hauses war Feierstimmung, gerade als ob jemand den Thanksgiving-Tag in den Mai verlegt hätte. Im Oval Office selbst hatte sich Präsident Castilla ein Lächeln erlaubt, etwas, was in den letzten sorgenvollen Tagen kein einziges Mal mehr vorgekommen war. Er ließ sich von der verhaltenen Hochstimmung der vielen Berater im Raum mitreißen.
»Ich weiß wirklich nicht, wie Sie das gemacht haben, Sir«, strahlte die Sicherheitsberaterin Emily Powell-Hill. »Aber geschafft haben Sie es jedenfalls.«
» Wir haben es geschafft, Emily.«
Der Präsident stand auf, ging um seinen Schreibtisch herum und setzte sich neben sie auf das Sofa, eine bei ihm seltene kameradschaftliche Geste. Er fühlte sich erleichtert, als ob man
eine schwere Last von seinen Schultern genommen hätte. Er blickte durch seine Brillengläser und ließ alle an seinem warmen Lächeln teilhaben, nahm befriedigt die Erleichterung in den Gesichtern wahr. Trotzdem gab es noch lange keinen Anlass, wirklich zu feiern. Bei diesem Raketenschlag auf die Villa in Algerien waren gute Leute ums Leben gekommen.
»Alle hier im Raum waren beteiligt«, fuhr er fort, »und dazu natürlich die Geheimdienste. Wir schulden diesen selbstlosen Helden, die mitten unter unseren Feinden ihre Arbeit tun und die nie bei der Öffentlichkeit
Weitere Kostenlose Bücher