Ludlum Robert - Covert 03
Als die Römer im 2. Jahrhundert nach Christi Geburt eintrafen, beherrschten sie die Stadt siebenhundert Jahre lang, bis dann die barbarischen Westgoten einzogen und dort die nächsten zweihundert Jahre bis zum Jahre 712 regierten.
Der Legende nach hatte damals König Rodrigo frevlerisch Hand an Florinda gelegt, die Tochter des Grafen Julian, die er beim Bad im Fluss Tajo überrascht hatte. Statt die Tat vor Gericht zu bringen, war der empörte Vater – unklug wie er war – prompt zu den Arabern geritten, um sie um Hilfe zu bitten. Da diese bereits eine Invasion planten, kam ihnen der Hilferuf nur zu gelegen. So wechselte Toledo erneut die Herrschaft und wurde zu einem kosmopolitischen, aufgeklärten Zentrum der maurischen Kultur. Im Jahre 1085, als der König von Kastilien die Stadt eroberte, kam sie schließlich wieder unter spanische Kontrolle.
An drei Seiten vom Fluss umgeben, ragte die Stadt auf einem felsigen Vorsprung hoch über ihm auf. Sie war so etwas wie eine natürliche Festung, die in jenen lang vergangenen Tagen nur an der offen daliegenden Nordseite Mauern gebraucht hatte, um praktisch uneinnehmbar zu sein. In letzter Zeit – also den letzten drei- oder vierhundert Jahren – war die Stadt freilich über jene Mauern hinaus- und auch auf der anderen Flussseite nach Süden hin gewachsen.
Smith näherte sich den nördlichen Mauern auf der breiten, gepflegten Straße. Sich mehrmals nach allen Seiten umsehend, fuhr er schließlich durch die Puerto de Bisagra, ein im 9. Jahrhundert errichtetes Eingangsportal, in die Altstadt, wo ihn ein Labyrinth aus schmalen, gewundenen Straßen und Gassen erwartete, die anscheinend wie zufällig entstanden waren und sich alle spiralförmig dem Stolz der Stadt näherten, der gotischen Kathedrale und dem Alcazar, der während des Spanischen Bürgerkriegs fast völlig zerstört, inzwischen aber wieder aufgebaut worden war.
Immer wieder seine Karte zurate ziehend, folgte er den Markierungen, die ihn zu dem Haus des Basken führen sollten. Er verfuhr sich in dem Zwielicht, das sich jetzt über die Stadt senkte, musste wenden und stellte fest, dass viele der Straßen so eng waren, dass Fahrzeugen die Zufahrt mittels eiserner Pfosten verwehrt wurde. Die Zwischenräume waren meist breit genug, um ein Fahrzeug passieren zu lassen, aber nur knapp. Immer wieder drückten sich Leute in Türnischen, um seinem Renault Platz zu machen. Denkmäler, Kirchen, Synagogen, Moscheen, Läden, elegante Restaurants und Häuser – viele davon im mittelalterlichen Stil – besetzten jeden Quadratzoll dieses alten Felsvorsprungs. Ein atemberaubendes Bild, aber auch gefährlich. Die engen Gassen boten zu viele Möglichkeiten für einen Hinterhalt.
Der Baske wohnte in einem Apartmentbau in der Nähe der Cuesta de Carlos V. im Schatten des Alcazar selbst, unmittelbar unter dem höchsten Punkt Toledos. Die Anmerkungen, die der Karte beigefügt waren, warnten, dass die Adresse sich an einer besonders steilen Straße befand, wo nicht einmal das kleinste Fahrzeug Platz finden würde. Er parkte deshalb zwei Straßen entfernt und ging den Rest des Weges zu Fuß, darauf bedacht, den Schutz der immer dichter werdenden Schatten nicht zu verlassen. Ein Gewirr aus den unterschiedlichsten Sprachen umgab ihn; die Altstadt zog zahlreiche Touristen an, von denen die meisten mit Fotografieren beschäftigt waren.
Als er das Haus vor sich entdeckte, verlangsamte er seine Schritte. Es handelte sich um einen typischen dreistöckigen Ziegelbau mit einem schwach geneigten roten Ziegeldach. Die Fenster, wovon es pro Stockwerk nur zwei gab, und die Türe waren nicht viel mehr als schmucklose viereckige Aussparungen in der Ziegelfassade. Als er an dem Haus vorbeiging, sah er, dass die Eingangstür offen stand. Der enge Vorraum war beleuchtet, im Hintergrund war eine Treppe zu erkennen. Nach seiner Information hatte der Baske ein Zimmer im ersten Stock gemietet.
Smith ging bis ans Ende der Gasse zu einem kleinen von Läden und Bars gesäumten Platz, in den aus vier Richtungen Straßen mündeten. An einem Straßencafe machte er Halt und setzte sich an einen Tisch, von dem aus er in die Richtung sehen konnte, aus der er gerade gekommen war. Der Geruch vieler Gewürze – Kardamom, Ingwer und Chili – hing in der Luft. Von hier aus konnte er das Apartmentgebäude des Basken im Auge behalten. Er bestellte sich ein Bier und tapas und wartete dann, während in einem der nahe gelegenen Restaurants eine Gruppe zu musizieren
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