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Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Titel: Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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das richtige Wort, eine kindische Kampagne, die sie losgetreten hatte. Aber jetzt war sie tot. Wegen dieser Habilschrift, die sowieso niemanden kratzt außer einen Mörder. Die vielleicht irgendwann irgendein Verlag veröffentlichen wird, nicht dieser Feigling Schmid, dem würde er es nie erlauben, auch wenn Stachelmann ihn noch eine Weile zappeln lassen würde. Sollte irgendein anderer Verlag dieses bedeutungslose Gesabbel veröffentlichen, dann verschwände das Buch in den Bibliotheken, wo es vielleicht ein paar übereifrige Studenten mal anschauen würden. Und dafür hast du Jahre deines Lebens gegeben? Dafür ist Brigitte gestorben! Er sah die Bilder wieder vor sich, als wäre es gestern geschehen. Es wäre deine Pflicht, alles zu tun, um das Schwein zu erwischen.
    Morgen musste er an die Uni, sein Seminar. Bohming hatte angerufen, ihm wieder vorgeschlagen, sich auszuklinken. Das Seminar ausfallen zu lassen. Jeder würde es verstehen. Vielleicht könne Anne es übernehmen, auch wenn sie nicht vorbereitet sei und man sich deshalb fragen müsse, ob es sinnvoll sei, aber das sei ihm jetzt nicht wichtig. »Du musst das überwinden, Josef. Das dauert, unterschätze das nicht.« Stachelmann hätte fast gefragt, woher Bohming wisse, wie man diese Mischung aus Verzweiflung und Angst überwinden konnte, aber er schwieg und war dankbar. Doch er musste das Seminar halten. Er musste. Wenn er es nicht tat, würde er den Halt verlieren. Er klammerte sich an die Bruchstücke seines Alltags. Stachelmann bestellte noch ein Glas Wein, obwohl er wusste, dass er zu viel trank.
    Er stierte lange auf den leeren Aschenbecher und merkte nicht, als der Kellner das Glas Wein brachte. Ich will dieses Seminar nicht mehr halten. Ich muss es aber halten. Was soll ich sonst tun? Ich habe keine Lust auf diese Studenten. Was ich tue, ist unwichtig. Es hat für niemanden Bedeutung außer für mich selbst. Doch was bedeutet es dir? Er überlegte. Nichts bedeutet es außer einer Quälerei. Diese Habilschrift, die dich nur quält, um dich als Professor arbeitslos werden zu lassen. Grandioser kann man nur scheitern, wenn man ein Vermögen in Monte Carlo verzockt. Professor werden, um dann Arbeitslosengeld zu empfangen. Warum die Mühe?
    »Ich bring dich nach Hause«, sagte sie.
    Er erschrak, schaute auf und sah Anne. Einige Augenblicke überlagerte Brigittes Gesicht das Bild. Aber nein, es war Anne. Warum war sie hier? Er schüttelte sich.
    »Du hast ganz schön gebechert«, sagte sie und lachte.
    Er schaute sie nur an. Sie war schön. Er mochte es, wie sie lachte. Aber was machte sie hier?
    »Ich konnte dich nicht erreichen, und da hab ich Taut rumgekriegt. Der hat mit der hiesigen Polizei gesprochen, die ja dank deiner Aufpasser jederzeit weiß, wo du bist. Das ist praktisch, wir sollten es beibehalten, wenn der ganze Quatsch vorbei ist. Dann entkommst du mir nicht mehr.« Sie lachte wieder.
    Warum lacht sie dauernd? Hier gibt es nichts zu lachen.
    Sie setzte sich ihm gegenüber und nahm seine Hand. Sie bestellte auch einen Wein. Er hustete, es war verraucht. Dann schaute er sich um, woher der Rauch kam. Er konnte es nicht eindeutig feststellen, fast an jedem Tisch saß ein Raucher. Er hätte sich gern gestritten mit einem von denen. Doch er starrte wieder Anne an.
    »Was ist mit dir?«
    Er zeigte aufs Weinglas.
    »Hast dich betrunken. Warum?«
    »Weil alles Scheiße ist.«
    »Vielen Dank für diese differenzierte und tiefgründige Analyse.«
    Er winkte ab und trank sein Glas leer.
    »Das schmeckt doch gar nicht mehr.«
    Es schmeckte immer besser. Am besten schmeckte die Gewissheit. »Ich schmeiß alles hin.«
    »Aha. Und was ist alles?«
    »Alles ist Scheiße.«
    »Das habe ich schon mal gehört. Gut, alles ist Scheiße. Vielleicht kannst du es mir erklären?«
    »Die Uni ist Scheiße.« Er versuchte das Lallen zu unterdrücken. Ich bin zwar angetrunken, aber nicht bewusstlos. Ich bin in einem Zustand, in dem ich mehr verstehe als sonst. Eindeutig. Früher nannten wir das Bewusstseinserweiterung. Beim Kiffen. Er versetzte sich zurück nach Heidelberg, roch den süßlichen Duft der Joints. Er hatte die Augen geschlossen.
    »Was hältst du davon, wenn ich dich nach Hause bringe?«
    »Nichts. Gar nichts.«
    Sie nippte an ihrem Glas. »Hast eigentlich Recht, hier ist es auch ganz nett.«
    »Hier ist es toll.« Er bildete sich ein, jedes Wort wie gemeißelt gesprochen zu haben. Wie gemeißelt. Was hieß das? Na, jedes Wort betont. Sodass es keine

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