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Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Titel: Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Kollegen von der Streife rufen. Die bringen Sie nach Hause.«
    »Die frische Luft wird ihm guttun. Und Sie ersparen sich die Reinigungskosten.«
    Der Beamte lachte und ging zu seinem Kollegen, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern. Dann warteten sie, bereit, dem Paar zu folgen.
    Anne zog Stachelmann in Richtung Untertrave. Dem ging es nun etwas besser, er konnte einigermaßen gerade laufen, wenn sie die Richtung angab.
    »Warum ... bist du immer so ... sachlich?« Es war das falsche Wort, er spürte es.
    »Wenn man mit so jemandem wie mit dir zu tun hat, muss man nüchtern sein. In jedem Sinn des Wortes. Sonst geht man unter.«
    »Wer mit mir zu tun hat, geht unter.«
    »Du redest Blech, Josef.«
    »Ich rede kein Blech. Ich schmeiß alles hin.«
    »Zuerst schmeißen wir dich auf dein Bett, und morgen reden wir weiter.« Sie schaute sich um, die Polizisten folgten.
    »Weißt du noch, als wir das erste Mal hier langgelaufen sind?«, fragte er.
    »Immer noch. In den letzten fünf Minuten habe ich es nicht vergessen.«
    Sie schwiegen.
    Es begann zu regnen. Der Wind trieb feine Tropfen in ihre Gesichter. Er fühlte sich besser. »Ich schmeiß wirklich alles hin. Also, nicht alles, aber die Habil, das Seminar ... das bringt mir Unglück. Nur du bringst mir Glück, wenn du nicht gerade von fremden Männern Kinder kriegst.«
    Sie lachte. »Zurzeit läuft da nichts.«
    »Es geht schneller, als man denkt«, widersprach er.
    »Und du bist der Fachmann auf diesem Gebiet.«
    »Ich bin kein Fachmann, auf keinem Gebiet. Weißt du, was ich werde? Ich werde Taxifahrer. Dann fahre ich auch einfach weg, wenn mir jemand einen Besoffenen unterjubeln will. Ein Taxifahrer wird auch nicht beschossen. Mit Mord hat er auch nichts zu tun. Und mit den Bullen nur, wenn er geblitzt wird.«
    »Gut, gut, du wirst Taxifahrer«, sagte sie betont geduldig.
    »Du glaubst mir nicht. Wirst schon sehen.«
    »Heute Abend glaube ich dir alles.«
    »Aber schlepp mich jetzt nicht aufs Standesamt.«
    Keine Antwort.
    Ihr Schritte klatschten auf dem nass geregneten Bürgersteig. Ihm tröpfelte Wasser in den Kragen, er fror. Ein Auto zischte vorbei, noch eines. Dann war es still. Nur in der Ferne die Alarmsirene eines Krankenwagens. Er hakte sich aus und stellte sich ans Traveufer.
    »Und wenn ich jetzt springe?«
    »Ich dachte, du willst Taxifahrer werden.«
    »Das werde ich ja nur, weil ich zu feig bin, abzutreten.«
    »Nun red keinen Unsinn.«
    Er ruckelte mit den Füßen ein Stück nach vorn.
    »Dann spring halt. Die beiden Polizisten werden sich freuen, hinterherzuspringen.«
    Er stand da und beobachtete, wie sich das Laternenlicht im Wasser spiegelte. Er beugte sich nach vorn und erkannte sein Gesicht, verzerrt durch flache, kleine Wellen. Mal waren die Wangen breit, mal zogen die Wellen sie lang. Die Stirn schien gequetscht, dann nach innen gewölbt.
    Sie zog ihn zurück. »Du bist schlimmer als ein Kind.«
    »Hab ich nie bestritten.«
    »Doch, wenn du nüchtern bist, bestreitest du das.«
    »Nüchtern? Das ist ein Scheißzustand. Da redet man nur Quatsch.«
    »Interessante Hypothese.«
    »Und was soll das mit der Heirat?«
    »Ich wollte mich aufopfern«, sagte sie. »Vergiss es.«
    »Du bist die Erste, die mich heiraten will.«
    »Bei den anderen hast du nicht zugehört. Kommt ja manchmal vor.«
    »Ich höre immer ganz genau zu.«
    »Dann bin ich halt die Erste, die dich retten will.«
    »Ich werde mich selbst retten.«
    »Aber nicht mehr heute Abend.«
    Stachelmann tappte eine Weile vor sich hin, den Kopf leicht nach vorn gebeugt. In seinem Kopf schwirrten die Gedanken. Warum war alles so schwer? Ich schmeiß es hin. Diesen ganzen Unikram. Man sitzt nur herum und zerbricht sich den Kopf über Fragen, die schon längst niemanden mehr kratzen. Er dachte wieder an die Jahre, die er vergeudet hatte, weil er nicht zu Potte kam, aber auch nichts anderes tun konnte, weil das falsch gewesen wäre. Jetzt, wo er die Habilitation geschafft hatte, wurde ihm klar, sie war unwichtig. Wer wollte schon genau wissen, wie es in einem KZ wirklich zugegangen ist, wo es doch reichte, es zu verurteilen? Da regten sich Leute auf, ob die Häftlinge sich selbst befreit oder ob die US-Truppen die SS vertrieben hatten. Sollen die doch ihre Heldensagen behalten. Wen kratzte das heute noch? Die DDR ist untergegangen, der Antifaschismus mit, und wer sich heute noch für Ammenmärchen begeistert, bitte schön, der soll es doch tun.
    »Doch, heute Abend«, sagte er. Er fand selbst, es

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